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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zur Seite. »Wir haben ihm den Wunsch erfüllt … aber jetzt kann ich nicht mehr! Leckt mich doch alle am Arsch!«
    Der Riese mit dem roten Bart starrte Ev an, begann dann zu weinen und rannte aus dem Zimmer. Madame Coco rührte sich nicht … wie ein Koloß aus Stein, den man auf ein Bett gewuchtet hat, saß sie da und schwieg. Sie war nicht mehr geschminkt, ihre schwarzgefärbten Haare waren nicht aufgedreht … jetzt sah man, daß sie eine Greisin war, ein unendlich alter, einsamer, verlassener Mensch. Vielleicht gelang es Callac in aufopfernder Mühe, sie wieder zu der Madame Coco zu machen, ohne die eine Rue Princesse undenkbar war.
    »Wer war bei ihm?« fragte Ev mit seltsamer Starrheit.
    »Wir alle.« Fürst Globotkin faßte Madame an die Schultern, sie stand auf, wie aufgezogen, und ging stumm hinaus. Ihr folgte Ponpon, dann das ›Gebetbuch‹, zuletzt ging Globotkin und zog ganz leise die Tür hinter sich zu.
    Über Paris ging eine kalte Wintersonne auf. Ein klarer Tag begann, einer der Tage, die Pierre geliebt hatte, die er die ›ehrlichen Tage‹ nannte, weil sie so reine Farben hatten.
    Ev legte sich zurück und zog Bouillon an sich. Unter ihrem Kopf spürte sie das Kissen, auf dem Pierres Kopf gelegen hatte … und die vielen Morgen kamen wieder, an denen er so gelegen hatte, hinausblickend durch das große Fenster in den Himmel von Paris und auf den häßlichen Schornstein des Nachbarhauses.
    »Sollen wir weinen, Bouillon?« sagte sie leise. »Warum zitterst du, Kleiner? Was heißt tot? Er ist nur weggegangen, irgendwo anders hin, er kann gar nicht von uns gehen, solange wir leben, er ist immer um uns, bei uns, in uns. Weißt du, wovon Pierre immer träumte? Von etwas, was von ihm übrigbleibt auf dieser Welt. Wir haben das geschafft, Bouillon: Ich bekomme von Pierre ein Kind –«
    Dann schwieg sie, drückte den Hund an sich, schloß die Augen und gab sich dem Gefühl hin, für das es keinen Namen gibt, keine Worte, keine Deutungen und kein Entfliehen.
    Sie sah die Camargue vor sich, die wehenden Mähnen der weißen Pferde, die rosa Wolken der Flamingoschwärme über dem Etang de Vaccarès, den alten Fischer mit seinem nutzlosen Boot, die Hütte bei dem ›Tonkopf‹ und das Lager, auf dem sie das Kind empfangen hatte, und sie sah Pierre, wie er sich im Sattel seines weißen Pferdes aufrichtete und der Sonne entgegenritt. Der Wind vom Meer riß seine Haare empor wie eine kurze schwarze Fahne, und er drehte sich zu ihr herum und winkte ihr lachend zu, jung, ein Eroberer der Welt, ein Aufschrei nach Leben.
    Pierre –
    So lag sie da, kniff die Lider zusammen, um den kalten Morgen nicht zu sehen, und wußte doch, daß in wenigen Augenblicken das Leben weitergehen würde, heute, morgen und all die kommenden Jahre, daß es weitergehen mußte und sollte für Pierres Kind, das vielleicht seine Augen hatte, seine Nase oder seinen Mund und in dem sie immer wieder Pierre entdecken würde.
    Da erst begann sie zu weinen, und Bouillon kroch über sie und leckte ihr die Tränen von den Wangen und lag dann an ihrer Schulter, warm und weich.
    Ein kleines Stückchen Leben, wie wir alle nur ein kleines Stückchen Leben sind, ein Funken Liebe im eisigen Nichts.
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