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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aber das war nur äußerlich. Er saß am Tisch in Pierres freiem Zimmer, hatte sich von der Nachtschwester unter der Drohung, sie sofort zu vergewaltigen, reinen Alkohol geben lassen, verdünnte ihn mit Wasser und soff das Getränk wie Mineralwasser. Dabei schrieb er unentwegt, und als das ›Gebetbuch‹ ihm über die Schultern blickte, zuckte der lange, dürre Theologe erschrocken zusammen.
    Der ›Rote Henry‹ schrieb eine Nachrufode für Pierre. Einen poetischen Nekrolog. Er begann so:
    »Als Siegfried einen Wurm erschlug,
da schworen alle Würmer Rache –«
    »Wenn du das vorliest«, sagte das ›Gebetbuch‹ in seiner stillen Kanzelart, »erwürge ich dich mit dem Rosenkranz. Ich dokumentiere damit nur Gottes Ansicht, eine Kreatur wie dich nicht geschaffen zu haben.«
    »Es ist eine tief tragische Ode«, sagte der ›Rote Henry‹ dumpf. »Am Schluß werde ich selbst beim Schreiben weinen …«
    Irgendwie blieb dieser Satz bei allen haften. Sie wurden stiller, sahen ab und zu auf die Uhr und warteten mit der Geduld des Unabänderlichen. Ponpon, der Gummimensch, schlief in einer Zimmerecke wie ein zusammengerollter Hund, Madame Coco saß auf der Bettkante und blickte flehend, aber stumm Callac an, der am Fenster stand und auf die Straße sah. Die Einfahrt zur Klinik lag vor ihm … nasser Asphalt, auf den der Regen trommelte. Nächtliche Einsamkeit, erhellt von ein paar Bogenlampen vor dem Hospital. Trostlose, herbstliche Nässe, in die sich jetzt ein Schimmer Grau schob. Der neue Tag kündete sich an.
    »Da sind sie!« sagte Callac plötzlich. In die Einfahrt bogen zwei Wagen … Fürst Globotkins Taxi und dahinter das grüne, scheußliche Ungeheuer ›Mes Rues‹. Ponpon sprang auf wie ein Gummiball, alle stürzten zum Fenster und drängten den armen Callac zur Seite.
    »Mein kleiner Pierre«, sagte Madame Coco leise. »Mein armer kleiner Pierre.« Dann schnaufte sie auf, holte ein Taschentuch aus dem Rock und pustete hinein, daß alles erschrocken zusammenzuckte.
    »Er ist hier«, sagte Callac aus dem Hintergrund. »Was menschenmöglich ist, wird jetzt für ihn getan werden. Das könnt ihr dem alten Callac glauben …«
    *
    Die Schwierigkeiten begannen schon unten bei der Aufnahme, wo zwei wachhabende Ärzte und drei Schwestern sofort Pierre in Empfang nahmen. Der Portier rief in der Privatwohnung von Professor Mauron an … so war alles vom Chef befohlen worden.
    Die einzige Schwierigkeit: Bouillon!
    Ein Hund darf in kein Hospital … aber mach das einer mal einem Hund wie Bouillon verständlich. Außerdem war in den vergangenen Wochen sein Freund, der Portier, ausgewechselt worden, und der neue rief sofort: »Hinaus mit dem Vieh!«
    Bouillon reagierte sofort nach Art der Rue Princesse: Er schnappte nach dem Fuß des Portiers, raste dann an ihm vorbei in das Hospital, rannte die große Treppe hinauf und fand mit dem unheimlichen Instinkt seines Wesens sofort wieder den Weg zur Privatstation von Professor Mauron. Dort tauchte er im Gang auf, schnupperte auf dem Boden, roch die Anwesenheit von Madame Coco und verfolgte die Spur bis zu dem Zimmer, das für Pierre reserviert war. Aber auf dem Weg dorthin begegnete er der Nachtschwester, die sofort in ihr Schwesternzimmer zurücklief und den Portier per Telefon alarmierte.
    »Narkotisiert das Vieh!« schrie der Portier und legte dann auf. Sein Ethos als Eingangswächter eines Hospitals war erschüttert worden, als einer der Ärzte, der Bouillon von früher kannte, achselzuckend sagte: »Lassen Sie ihn laufen, Marcel. Er hat die gleiche Narrenfreiheit wie alle, die oben warten. Anordnung vom Chef …«
    Daß sich zwei Ärzte und drei Schwestern um Pierre kümmerten, war eigentlich ein unnötiger Aufwand. Die Diagnose stand fest, untersucht wurde er nicht – das machte Professor Mauron selbst mit seinen Kollegen von der Inneren und der Röntgenologie, und überhaupt war es – sieht man den Fall medizinisch – ein Novum, daß ein Mann mit einer kranken Leber in die Station eines Gynäkologen eingeliefert wird. Aber auch das war Madame Cocos Werk. Sie hatte zu Professor Mauron gesagt: »Pierre kommt zu Ihnen. Ob Sie Frauenarzt sind oder Plattfußdoktor, das ist mir egal! Zu Ihnen habe ich Vertrauen, zu Ihnen hat auch Pierre Vertrauen. Ihren Kollegen von der Inneren habe ich nur einmal gesehen … er hat eine dicke Knollennase, die mir nicht gefällt. Ihr Chef der Chirurgie ist Mitglied einer Partei, die nicht meine Partei ist … unmöglich für Pierre und mich!
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