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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod
Autoren: Heinz G. Konsalik
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als ein gutes Zeichen. Einen Halbtoten läßt man nicht gehen, also war Pierres Krankheit weniger kritisch.
    »Wer weiß, bei welchem besoffenen Hinterstubenarzt Pierre damals gewesen ist«, sagte der ›Rote Henry‹. »Und dieser Doktor Rombard in der Camargue … der wird Mühe haben, einen Rülpser von einem Furz zu unterscheiden …«
    »Welch ein Tag!« sagte Madame, als Callac hereinkam und Fürst Globotkin gleich an einen der frischen Kuchen ging. »Pierre wird entlassen. Es ist alles halb so schlimm, Marius. Die Weiterbehandlung kann ein Hausarzt übernehmen. Ich habe schon Doktor Vernier verständigt. Welch ein Tag! Wäre ich noch religiös, würde ich jetzt sagen: Komm, Marius, wir lassen eine dicke Kerze für die Mutter Gottes weihen …«
    »Laß uns das tun, Cosima«, sagte Callac ernst und hielt Madames beide Hände sehr fest. »Wenn Kerzen, Beten und alle Opfer der Welt helfen könnten … wir würden sie zusammen auf uns nehmen. Aber es hilft nichts mehr.«
    »Marius!« Madame sank auf einen der alten Stühle. »Das ist nicht wahr! Sie entlassen ihn doch … sie schicken ihn nach Hause …«
    »Er soll in seiner geliebten Welt leben. Wenn man nichts mehr tun kann … warum ihn dann auch noch von der Welt absperren? Cosima, es ist unerträglich, das mitzuerleben, aber wir müssen es ertragen!«
    »Und Ev? Weiß es Ev auch?«
    »Ja. Mauron hat es ihr wie mir gesagt. Sie glaubt es nicht. Sie sagte: Pierre stirbt nicht vor mir! – Es ist fürchterlich, Cosima –«
    Er sank auf einen Stuhl, bedeckte mit der Hand seine dick bebrillten Augen und schwieg. Zwischen ihnen standen die duftenden Kuchen, auf dem Herd kochte Gemüse, im Backofen brutzelte der Braten. Durch das Treppenhaus klang Musik … oben im Zimmer probierten die Freunde neue Platten aus.
    »Willkommen, Pierre, im Leben!«
    »Und Pierre weiß es auch?« fragte Madame Coco.
    »Er wußte es schon immer.« Callac lehnte sich zurück und starrte an die verräucherte Decke. »Ich habe seinen Farbenrausch in seinen Bildern nie verstanden – jetzt verstehe ich ihn. Jedes seiner Bilder ist ein Aufschrei. Mein Gott, welche Kraft des Leidens ist in diesem Jungen! Seine Bilder werden einmal unbezahlbar sein …«
    »Und er wäre bald verhungert.« Madame Coco schob dem Kuchenliebhaber Fürst Globotkin einen Teller mit Torte zu. »Weil es nur Idioten wie Callac gibt …«
    »Diesesmal hast du recht, Cosima«, sagte Callac leise. »Aber die meisten Menschen laufen blind herum und wissen es nicht.«
    *
    Der einzige, der den Lauf der Dinge genau zu wissen schien, war Bouillon.
    Er wich Pierre nicht mehr von der Seite, vernachlässigte Ev, saß zu Pierres Füßen, wenn er malte, und wenn die Anfälle kamen und Pierre umwarfen – und sie kamen jetzt immer häufiger – leckte er ihm den Schweiß vom Gesicht, wenn Ev nicht da war, um das mit einem Tuch zu tun.
    Die Tabletten und Spritzen, die Doktor Vernier verabreichte, zeigten keine Wirkung. Das hatte auch keiner erwartet, aber es ist für einen Arzt unerträglich, nichts mehr zu tun und seinen Patienten einfach der Vernichtung zu überlassen.
    Callac konsultierte Frankreichs medizinische Prominenz, wenn sie die Diagnose hörten und vor allem den Zustand des Patienten, sagten sie alle das gleiche, was Callac schon nicht mehr hören konnte. Dafür verkaufte er Pierres Bilder zu Preisen, wie sie bisher nur ein Buffet erzielt hatte … in zwei Monaten galt es in Paris als gesellschaftsfähig, ein Bild von Pierre de Sangries an der Wand hängen zu haben. Das beste Bild allerdings verkaufte Callac nicht … das ›Tryptichon der Natur‹, wie es Pierre genannt hatte, seine zur Gestalt gewordene Liebe zu Ev.
    »Wenn er nur das gemalt hätte«, sagte Callac zu Madame Coco, »das allein wird ihn einmal unsterblich machen.«
    Anfang Dezember – Pierre hatte leichtes, konstantes Fieber bekommen – fuhr Ev nach Köln. Callac hatte keinen medizinischen Namen mehr, den er abhaken konnte. Er hatte sie alle gefragt. Auch Hubert Bader hatte versucht, nachdem ihn Eva angerufen hatte, mit deutschen Experten über diesen Fall zu reden. Und auch hier antwortete ihm das große Achselzucken, das große, verlegene Schweigen oder der alte, grausame, nie sterbende Satz: »Die Medizin hat ihre Grenzen.«
    Mit Röntgenplatten und allen Befunden aus Paris fuhr Ev nach Bonn in die Universitätsklinik. Dort hatte man zum erstenmal mit Erfolg versucht, eine Leber zu transplantieren. Die Zeitungen in aller Welt waren voll davon
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