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Liebe ist stärker als der Tod

Liebe ist stärker als der Tod

Titel: Liebe ist stärker als der Tod
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Stil, Mademoiselle. Wir stehen hier auf einem Monument des Stolzes und des Sieges! Das Herz der Grande Nation schlägt in diesem Bauwerk … und so etwas entweihen Sie zum Sprungbrett in den Tod –«
    Sie sah ihn groß an, neigte den Kopf etwas zur Seite und schien zu denken: Ist er wirklich ein so großer Idiot, oder spricht er so nur, um mich zu provozieren? Pierre konnte diese Frage in ihren großen blauen Augen lesen und lächelte sie etwas schief an.
    »Ich bin Deutsche –«, sagte sie endlich.
    »Da hat man es!« Pierre tupfte sich mit dem Kleiderfetzen die Stirn. Sie wird nicht wieder springen, dachte er. Nicht jetzt, und nicht, solange ich bei ihr bin. Aber wie lange kann ich bei ihr sein? Was ist am Abend, am nächsten Tag, vielleicht sogar in ein paar Stunden? »Ein Franzose würde sich für solche Privatvergnügen jeden anderen Platz aussuchen, nur nicht den Arc de Triomphe!«
    »Ein Vergnügen nennen Sie das?« fuhr sie ihn an. Ihre schönen, vollen Lippen wurden schmal wie zwei Striche. Blutige Narben in einem bleichen, ratlosen Gesicht.
    »Wie wäre es mit dem Eiffelturm?« fragte er.
    Sie warf den Kopf mit einem Ruck in den Nacken. »Dort hat man ein Drahtgitter gebaut. Es geht nicht. Ich war schon oben –«
    »Bleiben noch die Brücken. Ich schlage wegen der Romantik die Pont d'Alexandre vor.«
    »Ich kann zu gut schwimmen.«
    »Werfen Sie sich unter einen Bus!«
    »Und wenn er zu gute Bremsen hat?«
    »Sie sind wirklich eine anspruchsvolle Dame. Eine Idee: Der Gare du Nord! Unter einen TEE-Zug …«
    »Fürchterlich! Ich möchte nicht verstümmelt werden!«
    Das Mädchen sah Pierre mit großen blauen Augen an. Sie standen so nah voreinander, daß er in ihrer Pupille sich selbst erkennen konnte, so, als wäre er schon in ihr und sie könne die Welt mit seinen Augen sehen. »Warum wollen Sie mich umbringen, Monsieur?« fragte sie leise.
    »Ich? Es war Ihre dumme Idee. Ich dachte, es würde Sie aufmuntern, wenn ich Ihnen einige sichere Todesarten vorschlage. Kommen Sie mit –«
    Er faßte plötzlich ihre Hände, zog sie von der Wand zur Brüstung, und als sie sich gegen ihn stemmte, drehte er sie mit einem Ruck herum, umklammerte ihre Schulter und zwang sie so, über den Rand der Brüstung hinunter auf die Champs Elysées zu blicken, über das sonnenüberflutete Paris, zum Horizont, der ein Goldstreifen war und über dem Sacré Coeur wie eine weiße Wolke schwebte.
    »Sehen Sie sich das genau an, Mademoiselle«, sagte er und hielt sie mit hartem Griff fest, als sie zurückweichen wollte. Sie stieß mit dem Kopf nach ihm, aber da sie nur seine harten Schulterknochen traf, hörte sie bald damit auf. »Dieses Leben da unten! Diese unsagbare Lust, auf dieser Welt zu sein! Das Glück, die Sonne zu sehen, die Blumen zu riechen, den Vögeln zuzuhören, den Wind auf der Haut zu spüren, in den Sand greifen zu können und ihn durch die Finger rieseln zu lassen, das Rauschen des Meeres bis in die Träume einzusaugen, einfach im duftenden Gras zu liegen und den ziehenden Wolken nachzusehen … das alles wollten Sie wegwerfen?«
    »Ich hasse dieses Leben!« sagte das Mädchen. Ihr Kopf blieb, nach hinten geneigt, neben seiner rechten Wange auf der Schulter liegen. Sie hatte die Augen geschlossen und sah wundervoll aus. »Ich hasse es –«
    »Ein Mann!« Pierre strich mit der Linken die Haare zur Seite, die der Wind über ihr Gesicht trieb. »Natürlich ein verdammter Mann –«
    »Ja.«
    Sie sagte es nüchtern und klar. Ohne Schmerz, ohne Haß. Es ist vorbei, sagte dieses Ja.
    »Er ist weg?« fragte Pierre.
    »Nein.«
    »Er hat eine andere?«
    »Er hat immer eine andere –«
    »Dann werfen Sie diesen Mann weg und nicht Ihr Leben!«
    »Sie Schwätzer!«
    »Es war nur ein logischer Vorschlag, Mademoiselle.«
    Das Mädchen hob den Kopf und schüttelte ihn mehrmals. Dann blickte es hinunter auf die Avenuen und hob, plötzlich vor der Tiefe schaudernd, die Schultern. »Ich kann ihn nie wegwerfen –«, sagte sie leise. »Nur mich! Ich bekomme ein Kind …«
    »Und das ist nun ein Grund, vom Arc de Triomphe zu springen?«
    Er zog sie von der Brüstung weg, weil sie wieder zu zittern begann und er sich nicht ganz sicher war, ob sie den Willen, zu sterben, bereits ganz überwunden hatte. Ich könnte Ihnen viel erzählen von meiner schönen Mama, Mademoiselle, dachte er dabei und führte sie zur Liftwand zurück. Auf der anderen Seite der Plattform hockten die beiden Schwulen auf der Brüstung, rauchten eine Zigarette
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