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Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge

Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge

Titel: Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
Autoren: Kristine Gasbarre
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meinen Dad in die Arme. Als er zusammenbricht, hält sie ihn fest. »Es ist besser so, Liebling«, sagt sie, aber auch ihr Gesicht ist rot und nass. Meine Tanten umarmen ihre Männer ebenfalls, und mir geht durch den Kopf, dass ich meine Onkel noch nie habe weinen sehen. Ich habe auch noch nie gesehen, wie sie ihre Frauen umarmt haben. In diesem Moment verstehe ich, dass Beziehungen nicht nur ein Geschenk, sondern eine Notwendigkeit sind. Es gibt keinen Grund, nicht zu lieben.
    Jeder von uns küsst Grandpas Gesicht. Er riecht immer noch nach Seife und ist warm. Dann stellen wir uns alle um das Bett herum, und der Pfarrer betet mit uns. Grandma bleibt neben Grandpa sitzen, wie in Trance. Schließlich macht sie das Kreuzzeichen und bricht über ihm zusammen. »Ich liebe dich so sehr, George.«
    Ich hoffe, auch ich werde eines Tages eine gute Frau an der Seite eines Mannes sein, stark, liebevoll und ruhig. Ich stelle mir vor, wie ich an Adam Hunts Seite sitze, über die Härchen auf seinem sommersprossigen Arm streichle, ihm durch einen Strohhalm Ginger Ale zu trinken gebe, ihn zum letzten Mal auf den Mund küsse.
    Ich kann mir alles vorstellen … nur den Kuss nicht. Vor sieben Monaten habe ich ihn zum letzten Mal gesehen, und sosehr ich mich auch bemühe, ich kann mich nicht mehr richtig an sein Gesicht erinnern.

2
    Lerne zuzuhören
    »Nun, es überrascht mich, dass du diesen Weg nimmst.«
    Grandma und ich fahren zum Arzt, und ich habe die Brown Street statt der Arminta genommen. Als ich in der Highschool war und im Pflegeheim gearbeitet habe, bin ich diese Straße auf dem Weg zur Arbeit besonders gern gefahren. Sie ist kurvenreich, und man muss auf den Gegenverkehr achten, aber gerade diese Herausforderung fand ich gut. Und sie führt zu der Stelle, wo meine erste Liebe und ich immer geparkt haben; diese Straße steckt voller aufregender Erinnerungen. Geduldig antworte ich Großmutter: »Ich habe ja zehn Jahre nicht hier gewohnt, Grandma, deshalb kenne ich mich nicht mehr so gut aus wie früher. Aber diese Straße führt doch auch zur Arztpraxis, oder?«
    »Vermutlich schon«, erwidert sie. »Grandpa ist immer hier langgefahren, nur um mich zu ärgern.« Bei ihrem gereizten Tonfall wundert mich das nicht! Schließlich hat nicht jede Frau in ihrem Alter eine erwachsene Enkelin, die ihre Großmutter zum Arzt fahren kann. Wen kümmert es da schon, welchen Weg sie nimmt!
    Bevor wir zum Mittagessen gehen, möchte Grandma noch einmal nach Hause fahren, kann mir aber nicht wirklich sagen, warum. Ich gewöhne mich langsam an diese Verzögerungstaktiken – sie dienen ihr dazu, möglichst wenig Zeit alleine verbringen zu müssen. Großvater ist seit vier Monaten tot, und die Einsamkeit ist ihr schlimmster Feind geworden.
    Sie war auch mein schlimmster Feind in den letzten vier Monaten in Italien. Großvaters letzte Tage und seine Beerdigung haben mir die Zusammengehörigkeit mit meiner Familie wieder in einer Weise klargemacht, die ich völlig vergessen hatte, als ich von zu Hause ausgezogen war. Wenn ich in Grandmas Esszimmer am Tisch saß, fühlte ich mich wieder wie ein Teil einer Gemeinschaft. Jahrelang hatten die Kollegen meines Großvaters Scherze darüber gemacht, dass man unsere »Familie« kaum von unserem »Familienunternehmen« unterscheiden könne, da Wein, Essen, Lachen und geschäftliche Gespräche zu beidem gehörten. Weil ich so lange weg war und erst aufgrund dieses tragischen Ereignisses wieder zurückgekehrt bin, konnte ich die Familie beinahe wie ein Außenseiter betrachten. Es ist eine einzigartige Familie, die in geschäftlichen Angelegenheiten durchaus unterschiedlicher Meinung sein kann, sich aber fast immer einig darüber ist, was für die Familie am besten ist oder wie etwas in Großvaters Sinn geregelt werden muss. In den letzten Jahren hatte ich das Gefühl, in einen Spiegel zu schauen, in dem ein großes Stück fehlte, und jetzt half mir meine Familie, es wieder einzusetzen. Erst mit ihnen hinter mir sah ich mich als Ganzes.
    In der ersten Februarwoche ging ich wieder nach Italien. In jeder freien Minute, in der ich nicht damit beschäftigt war, der Familie, bei der ich lebte, Englisch beizubringen, hielt ich mich in meinem Zimmer auf, las oder schrieb Tagebuch. Fast jeden Morgen klopfte Isabella, die Mutter der Kinder, an meine Tür und fragte mich, ob ich mit ihr ins Sportstudio gehen wollte. Manchmal fuhr sie auch mit dem Zug nach Rom, um irgendeinen Diplomaten zu treffen. (Isabellas Mann
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