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Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge

Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge

Titel: Liebe Ist Nichts Fuer Feiglinge
Autoren: Kristine Gasbarre
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schließlich war er der Geselligere und Offenere von beiden.
    Grandma rülpst und schlägt frustriert mit der Hand auf den Tisch, bevor sie sich entschuldigt und die Serviette vor den Mund hält. »Dieses Aufstoßen !«, sagt sie. Ich erlebe zum ersten Mal, dass sie sich in der Öffentlichkeit nicht perfekt benimmt.
    »Hast du schon einmal überlegt, Grandma, dass deine Probleme mit dem Aufstoßen vielleicht daher rühren, dass du jetzt die ganze Zeit redest?«
    »Wie meinst du das?«
    »Bei euch war doch Großvater immer derjenige, der für die Unterhaltung gesorgt hat. Und wenn ihr beiden allein zu Hause wart, habt ihr bestimmt wenig geredet, wie viele Leute, die so lange verheiratet sind. Und jetzt redest du nicht nur wesentlich mehr, sondern hältst es auch für notwendig , um die Trauer und die Einsamkeit zu überwinden. So viel wie jetzt hast du in deinem ganzen Leben nicht geredet.«
    Verblüfft blickt sie von ihrer Brokkolisuppe auf. »So habe ich das noch nie gesehen.«
    Grandma kann nicht allein sein. Sie erzählt mir das nicht, um anzudeuten, dass sie sich etwas antun könnte; es ist vielmehr so, dass sie sich dann so einsam fühlt, dass sie weint. Alleine zu essen, ist das Schlimmste, sagt sie, und ich denke an das erste Mal, als ich alleine in einem Restaurant gegessen habe, im Sommer, als ich auf dem College war. Es war im Olive Garden , wo ich kellnerte. Ich kannte meine Bedienung also, aber ich fand, es zählte trotzdem. Niemand saß mir gegenüber, dennoch bewältigte ich das Essen. Als ich in New York arbeitete, war es ein Luxus, einen Salat und einen Kaffee zu sich nehmen und dabei ein Buch lesen zu können. Solange ich mich mit etwas beschäftigen konnte, fühlte ich mich alleine nicht unwohl, sondern mochte es. Aber Grandma und andere Leute in ihrem Alter sind daran gewöhnt, dass man gemeinsam isst, und für sie ist es eine Strafe, alleine eine Mahlzeit einnehmen zu müssen.
    »Glaubst du, das ist der Grund, warum ich immer noch Single bin, Grandma?«
    Sie blickt von ihrem Salat auf. »Wie kommst du darauf?«
    »Könnte es vielleicht sein, dass Leute wie ich besser mit dem Alleinsein zurechtkommen als Leute deiner Generation, weil wir mehr haben, mit dem wir uns ablenken können?«
    »Teilweise bestimmt. Aber wie kannst du erwarten, jemanden kennenzulernen, wenn du ständig diese Dinger in den Ohren hast? Hast du das Ding auch im Sportstudio dabei? Oh, wie heißt es noch mal – dieses kleine Ding, das Musik spielt?«
    »Meinst du meinen iPod?«
    »Mm-hm.«
    »Ja, deshalb habe ich ihn ja.«
    »Na siehst du. Wenn jemand dich ansprechen möchte, dann muss er schon eine Pantomime zeigen. Es ist doch komisch, zu reden und nicht zu wissen, ob die andere Person überhaupt zuhört.«
    Ich erinnere mich daran, wie ich einmal in Cleveland, wo ich nach meinem College-Abschluss ein Jahr lang gewohnt habe, die Straße entlanggegangen bin. Meine Wohnung lag in Little Italy, und ein kleiner alter Mann zog den Hut vor mir. Ich lächelte ihn an, um mich zu bedanken. Dann sagte ich: »Wissen Sie was, Sir? Ich wünschte, jedes Mädchen in meinem Alter würde die Erfahrung machen, dass ein Mann den Hut vor ihm zieht.«
    Zwinkernd setzte er seinen Hut wieder auf seine silbernen Haare. Dann überlegte er einen Moment und sagte: »Wissen Sie was, junge Dame? Das wünschte ich auch.«
    Als meine Großeltern und der Mann aus Little Italy aufwuchsen, bemühten sich Fremde noch darum, einander kennenzulernen; die Leute empfanden Wertschätzung füreinander, und sie kommunizierten. Allerdings ist es nicht verwunderlich, dass seitdem kein Mann mehr den Hut vor mir gezogen hat, weil ich kurz nach diesem Ereignis nach New York zog und mir einen iPod zulegte.
    Ich erzähle Grandma die Geschichte, weil ich sie damit zum Lächeln bringen möchte, aber stattdessen belehrt sie mich: »Natürlich hat er vor dir den Hut gezogen. Er ist so erzogen worden.«
    »Okay, aber …« Ich schiebe meinen Teller beiseite. »Was hat es bedeutet ?«
    Sie kneift die Augen zusammen. Anscheinend findet sie, dass ich eine einfache männliche Geste viel zu analytisch betrachte. »Nun, was glaubst du denn? Er hat dir Respekt gezollt.«
    »Okay. Und was hätte ich zur Erwiderung machen müssen?«
    »Genau das, was du getan hast. Du hast gehört, was er zu sagen versuchte: ›Hallo, ich finde Sie reizend.‹ Und du bist stehen geblieben und hast dich bedankt. Das war mehr als genug. Es war einfach ein normaler, netter Austausch.«
    Doch für mich war
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