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Letzte Aufzeichnungen

Letzte Aufzeichnungen

Titel: Letzte Aufzeichnungen
Autoren: Erich Honecker
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Vorwort
Von Margot Honecker
    Lange habe ich gezögert, diese letzten Aufzeichnungen Erich Honeckers aus der Hand zu geben. Sie sind stellenweise wie in einem vertrauten Gespräch mit mir und der Familie geschrieben. Ich meinte, dass man Privates, etwas, das auch Empfindungen offenbart, besser im privaten Raum belassen sollte.
    Mein Mann begann mit diesen Aufzeichnungen mit dem Tag seiner Einlieferung ins Gefängnis Moabit. Er schrieb auf Anraten seines Verteidigers Friedrich Wolff eine Art Tagebuch, das auch Aufschluss geben sollte über den Prozess. Er hatte keine Schreibmaschine, er schrieb mit der Hand. Mit dem Fortschreiten seiner Krankheit schwanden seine Kräfte, wurde seine Schrift immer schwerer lesbar. Seine Gedanken sprangen auch. Manches blieb fragmentarisch, und einige Bemerkungen sind nur mit der Hetze, dem enormen Druck, der auf ihm lastete, zu erklären.
    Nach den ersten ärztlichen Untersuchungen in Berlin war ihm gesagt worden, dass der bösartige Tumor in der Leber sich aggressiv weiterentwickelte. Erich Honecker wollte sich mit der ihm verbliebenen Kraft und Lebenszeit vor allem auf den Prozess konzentrieren.
    Wenn ich mich, auch dem Rat guter Freunde folgend, nun doch entschloss, die Aufzeichnungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, so deshalb, weil sie nicht nur einen wahrhaften Einblick geben in einen kurzen Lebensabschnitt im kämpferischen Leben Erich Honeckers, sondern auch in einen in der deutschen Geschichte schwerwiegenden Zeitraum. So könnten die Aufzeichnungen hilfreich sein in der politischen Auseinandersetzung mit der Geschichte, indem sie einige Wahrheiten ins Licht rücken inmitten der Lügen, Fälschungen und Verleumdungen, die nun schon seit über zwei Jahrzehnten verbreitet werden. Und alles deutet darauf hin, dass auch weiterhin Heerscharen aufgeboten werden, geschichtliche Wahrheiten unter den Teppich zu kehren, den Sozialismus zu diskreditieren, Kommunismus und Kommunisten zu verteufeln. Nichts ist dieser herrschenden Klasse in ihrem Selbsterhaltungswahn heilig, sie kennt keine ethischen Normen, ihre Hassgesänge entspringen nun mal ihrer Klassenmoral. Unsere Gegner agieren so, weil sie nicht akzeptieren können, dass eine andere Gesellschaft als die, in der wir zurzeit leben, nötig und möglich ist. Sie können nicht verzeihen, dass eine andere Gesellschaft als die ihre auf deutschem Boden errichtet wurde, die immerhin 40 Jahre existierte und in dieser Zeit ihre Herrschaft über ganz Deutschland verhinderte.
    Jene, die in den Diensten des zeitweilig über den Sozialismus triumphierenden Kapitalismus stehen, von geschichtlichen Wahrheiten überzeugen zu wollen, ist vergebliche Mühe und nicht mein Anliegen. Mir begegnen immer wieder Menschen, vor allem jüngere, die nachdenklich geworden sind, ob diese kapitalistische Gesellschaft eine Zukunft hat. Es sind Menschen, die sich historischen Wahrheiten nicht verschließen.
    Zum Nachdenken anregen könnten auch diese Aufzeichnungen, die aus Anlass des bevorstehenden 100. Geburtstages Erich Honeckers erscheinen. Seinen 80. Geburtstag verbrachte er in Moabit. Damals wurde seine schwere Erkrankung öffentlich. Ich rief von Chile aus zur Solidarität mit meinem Mann auf und erklärte: »Ich bin mir sicher, mein Mann wird, so lange er lebt, nicht nur sich und seine Genossen verteidigen, sondern auch das Unrecht anklagen, das zehntausendfach den Bürgern der DDR angetan wurde, indem man aus der demokratischen, friedlichen Wiedervereinigung eine Okkupation der DDR machte.«
    Ich habe mich in diesem Urteil nicht geirrt.
    Die Aufzeichnungen enthalten Fakten und Hinweise, die den politischen Prozess gegen Honecker und Genossen in Erinnerung rufen. Es ging dabei nicht um Juristisches, nicht um Personen: Es ging um Politik.
    Nachdem das kapitalistische Deutschland das sozialistische Deutschland unterworfen hatte, demonstrierte der kapitalistische Staat, wie er mit Menschen umzugehen gedenkt, die eine andere als diese Gesellschaft wollen. Warum sonst fanden Ermittlungsverfahren und Prozesse statt gegen Grenzsoldaten, Juristen, Angehörige des MfS, Sportler und andere Personen, die der DDR dienten? Gegen mehr als 100.000 Bürger der DDR wurden Beschuldigungen erhoben, rund 85.000 juristische Verfahren wurden eingeleitet, von denen die meisten im Sande verliefen, die aber die betroffenen Familien oft ins Unglück stürzten. Auch wenn man es nicht wahrhaben wollte – und es waren damals viele, die durch die konterrevolutionären
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