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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in der Halle auf Anna Petrowna. Zuerst hielt er sie für einen Mann, aber dann bemerkte er ihre Körperformen und hielt ihr seine schwere Nagan entgegen.
    »So entkommst du nicht, du Luder!« brüllte er. »Du bist die Gräfin Michejewa, gestehe es!«
    »Ich bin die Genossin Anna Petrowna«, antwortete sie. »Und wer bist du?«
    »Das ist die größte Frechheit, die ich je erlebt habe!« sagte der Eierkopf laut. Hinter ihm kamen noch mehr Bolschewisten ins Haus und sahen sich um. Seidentapeten, französische Rokokomöbel, goldene Rahmen, Kristallspiegel, geschliffene Lampen, Teppiche, Marmor und Parkett, Deckenmalereien … welch eine Pracht! Und alles aus dem armen Volk herausgepreßt! Blutsauger!
    Die Bolschewisten wußten, was zu tun war, auch ohne Befehl ihres Anführers. Sie schossen wahllos in die Spiegel und Möbel, in die Decke und die Teppiche. Marmor spritzte nach allen Seiten, und die Glaslüster zerbarsten. Kristall regnete auf sie herunter, und je mehr von den Schüssen zerstört wurde, um so entfesselter wurden sie, trunken in dem Rausch, zu vernichten.
    Anna Petrowna war erstarrt. Sie verstand das alles nicht mehr. Zehn Meter hinter ihr, auf dem Schreibtisch im Salon, lag ein Telegramm aus Petrograd, in dem Lenin selbst ihr dankte, daß die Besitzungen der Michejews gewissermaßen als erster Grundbesitz dem Volke übergeben worden seien. Und noch etwas stand in dem Telegramm: »Wir sind von dem Genossen I. I. Jerschow unterrichtet worden und laden Sie ein, nach Petrograd zu kommen …«
    »Du Aristokratenhure!« sagte der Anführer langsam. »Willst dich verstecken hinter dieser Maske, was? Rote Fahnen überall, und dann eine Gräfin Michejewa! Das große Reinemachen hat begonnen, Täubchen! Und wenn du dich in mein Bett legst, es hilft dir nichts!«
    »Ich habe ein Telegramm von Lenin …«, sagte Anna Petrowna, als das Schießen aufhörte. »Was Sie hier anstellen, Genosse, ist ein schrecklicher Irrtum!«
    »Ein Telegramm von …« Der Eierkopf lachte dröhnend. »Hört euch das an! Lenin schickt einer Michejewa ein Telegramm! Und was telegrafiert er, he? ›Das hast Du gut gemacht, daß Du das Volk ausgebeutet hast! Bekommst einen Orden dafür!‹? O du Luder!«
    Er stürzte vor und gab Anna Petrowna eine schallende Ohrfeige. Sie wurde von der Wucht des Schlages gegen die Wand geschleudert und hielt sich an einer Samtportiere fest. Blut rann ihr aus der Nase, aber sie wischte es nicht ab. Mit weitaufgerissenen Augen starrte sie den Mann in der Lederjacke an.
    Und sie begriff. Sie begriff endlich, daß alles, was sie bisher in der Stille getan hatte, umsonst gewesen war. Und wenn sie die Sonne und die Sterne verschenkt hätte, sie blieb eine Gräfin Michejewa und mußte mit dem alten Rußland, das sie haßte, untergehen.
    Da gab es keine Worte mehr, keine Erklärungen, keine Aufzählung hundertfacher guter Taten gegen den Willen des Generals, kein Telegramm von Lenin – sie trug den Namen Michejew, sie wohnte in einem Schloß, sie war die Besitzerin riesiger Güter, der Prunk um sie war ihr Urteil.
    Die Tür wurde aufgerissen. Zehn Bolschewisten trieben die drei Bären ins Haus. Die Lakaien, die sie bisher versorgt hatten, lagen mit eingeschlagenen Schädeln im Zwinger. Mit Bajonettstichen trieben sie die Tiere ins Schloß, grölten dabei und jubelten, wenn die gequälten Kreaturen heiser brüllten und versuchten, mit Tatzenhieben die Bajonette wegzuschlagen.
    »Die hohen Herrschaften halten sich Bären!« schrie der Eierkopf. »Lassen sie vor sich tanzen wie das Volk, was? Immer hübsch nach ihrer Pfeife, wie? Rechts herum – links herum – wer es nicht kann, wird am Nasenring gezogen! Komm her, du Luder!«
    Er riß Anna Petrowna von der Wand, und sie wehrte sich nicht. Sie hatte die Augen geschlossen. Der Eierkopf zog sie in die Halle zurück, schleuderte sie mit aller Kraft von sich, gegen die drei Bären. Anna Petrowna prallte gegen ihre riesigen, braunschwarzen, hoch aufgerichtet dastehenden Körper. Im gleichen Augenblick stießen die Bolschewisten mit ihren Bajonetten zu. Anna Petrowna nahm den starken Bärengeruch und einen faulig riechenden Atem wahr, sie hörte über sich das heisere Brummen … Nun stießen die Männer mit aller Wucht in die Bärenkörper, und die Tiere brüllten auf, schlugen in ihrem Schmerz mit den Pranken um sich und nahmen für alle Qual Rache an dem Menschen, der ihnen am nächsten war.
    Es war Anna Petrowna. Zwei Bären schlugen gleichzeitig zu, der dritte Bär
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