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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Nachricht von Trasnakoje gebracht?« wich Jerschow Gregors Frage aus. Er hatte sich gefangen.
    Wanda Timofejewna richtete sich gerade auf. »Wer wohl?« rief sie. »Mein Bruder!«
    »General Michejew ist hier?«
    »Drei Zimmer hinter Ihnen, in der Badewanne! Jawohl! Und wenn du ihn verraten solltest …« Sie hob die Faust. »Wenn du es wagen solltest, nur einen Ton über meinen Bruder zu sagen, dann verspreche ich dir, daß ich mich hier mit dir zusammen in die Luft sprenge!«
    »Ich fürchte den Tod nicht, Wanda Timofejewna!«
    »Sagte der Wolf. Aber als es knallte, lief er davon!«
    »Und wie soll es weitergehen? Wenn man Michejew erkennt, kann ich ihn nicht mehr schützen. Dann wird er wie ein räudiger Hund erschlagen.«
    »Du hast etwas gutzumachen, Jerschow!« sagte Tante Wanda. »Deine Genossen haben Anna Petrowna getötet, obwohl sie auf eurer Seite stand. Jetzt hast du die verdammte Pflicht, Grazina, Gregorij und meinen Bruder wegzubringen!«
    »Wohin? Etwa zu Koltschaks Weißer Armee?«
    »Rede keinen Blödsinn! Sie müssen mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Wladiwostok!«
    »Unmöglich! Der Weg dorthin ist von den Weißrussen versperrt. Außerdem wird die ganze Bahnlinie abwechselnd von den Weißen und unserer Roten Armee kontrolliert. Wenn unsere Truppen die drei durchlassen, werden sie von den Koltschak- oder Denikin-Soldaten gefangengenommen! Lassen die weißrussischen Truppen sie passieren, sind es die roten Bataillone, die sie aus den Wagen holen werden! Und Passierscheine müssen sie auch haben.«
    »Dann stell sie aus, du Schwachkopf!« schrie Tante Wanda.
    »Es sind Rote Passierscheine! Sie genügen, daß Koltschak jeden, der sie besitzt, erschießen läßt.«
    »Dann müssen sie eben auch Weiße Passierscheine haben!«
    »Woher? Bin ich ein Hexer?«
    »Auf einmal nicht? Nicht einmal Passierscheine könnt ihr besorgen? Die Welt verändern … Aber mit einem Zug fahren kann man nicht!«
    »Es ist Bürgerkrieg!« rief Jerschow. »Ausnahmezustand!«
    »Euer Werk! Seid stolz darauf!« Tante Wanda erhob sich abrupt. »Laß dir etwas einfallen!« sagte sie grob. »Mein Bruder und die jungen Leute müssen weg. Ich bleibe natürlich hier!«
    »Natürlich!« Jerschow winkte Gregor, zu bleiben, während Tante Wanda aus dem Zimmer schritt. Draußen warteten die roten Genossen und starrten sie böse an. Sie erwiderte die Blicke ebenso böse, trat einem, der nicht aus dem Weg ging, gegen das Schienbein und verschwand in dem für die Bolschewisten gesperrten Teil des Hauses.
    »Wann können Sie reisen, Gregorij Maximowitsch?« fragte Jerschow dann gedämpft.
    »Sofort! Sehen Sie eine Möglichkeit, Iwan Iwanowitsch?«
    »Bis zur Bahnstrecke bei Petschogorsk ist rotes Gebiet. Dafür kann ich Ihnen Passagierscheine auf falsche Namen ausstellen. Wenn Sie dort einen Zug nach Osten bekommen, ist es Ihr Glück – solange Sie durch rotes Gebiet fahren. Aber was machen Sie, wenn die Denikin-Truppen Sie aufhalten?«
    »Wir geben uns zu erkennen.«
    »Ein russischer General in Bauernkleidung auf der Flucht, ein deutscher Oberleutnant, eine Comtesse Michejewa – und alle mit roten Pässen! Das glaubt Ihnen keiner! Man stellt Sie an die Wand, Gregorij!«
    »Wir müssen es versuchen, Iwan Iwanowitsch. Es ist der einzige Weg.«
    »Der einzige.« Jerschow nickte mehrmals. »Aber Sie werden ihn nicht zu Ende gehen können – bis zum Japanischen Meer! Ganz Sibirien liegt vor Ihnen! Auch wenn Sie auf der Schiene bleiben – im Land herrscht Anarchie! Das ist leider nicht zu ändern. Auch wir Bolschewisten brauchen eine gewisse Zeit, um dieses riesige Land unter Kontrolle zu bekommen.« Jerschow kramte in den Papieren, die den großen Tisch bedeckten. »Wollen Sie es wirklich wagen, Gregorij Maximowitsch?«
    » Ja!«
    »Dann gebe ich Ihnen heute abend die Passierscheine.« Jerschow blickte hoch. In seinem blassen bärtigen Gesicht waren jetzt die Augen milde, fast verträumt. »Würden Sie Grazina Wladimirowna bitten, heute abend zum Abschied noch einmal Chopin zu spielen?«
    »Nach dieser Nachricht aus Trasnakoje …?«
    »Vielleicht kommt ihre Seele zurück, wenn sie spielt«, sagte Jerschow sehr behutsam. Dann straffte er sich, und sein Gesicht wurde wieder hart. »Wenn ich das alles für Sie tue, Gregorij, dann nur, weil Sie damals den Deportierten geholfen haben. Sie sehen, wie großzügig wir sein können: Drei Menschenleben gegen ein paar Eimer heißes Wasser!«
    Gregor nickte stumm, drehte sich um und verließ den
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