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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gregorij Maximowitsch?«
    »Sie sollten mir Gelegenheit geben, meine Lauterkeit zu beweisen«, sagte Gregor und atmete plötzlich schwer. Er dachte an Grazina, die jetzt in einem geschlossenen, mit heißen Steinen geheizten Schlitten durch den eisigen Januartag unterwegs war nach Trasnakoje; mit dem eindeutigen Ziel des alten Michejew, durch örtlichen und zeitlichen Abstand die Affäre zu beenden.
    »Wir sind allein!« sagte Michejew jetzt ganz ruhig. »Bevor wir uns über die Zukunft Gedanken machen, sollte man meine Ehre als Vater wiederherstellen. Nicht als General der zaristischen Armee – es wäre absurd, wenn sich ein General mit einem Oberleutnant herumschlägt. Aber jetzt bin ich nur noch Vater, und ich verlange von Ihnen, Gregorij Maximowitsch, daß Sie sich stellen …«
    »Mein Gott, sollen wir uns duellieren?« Gregor starrte Michejew ungläubig an.
    »Haben Sie erwartet, ich putze Ihnen die Stiefel?«
    »Weiß … weiß Grazina, was Sie mit mir vorhaben?«
    »Ich pflege mit meiner Tochter nicht meine Pläne durchzusprechen, Herr Oberleutnant. Und im übrigen verbitte ich mir, daß Sie den Namen meiner Tochter weiterhin in den Mund nehmen, bevor diese Sache zwischen uns ausgetragen ist.«
    Michejew ging zu einem der weißgoldenen Rokokotischchen, zog eine Lade auf und nahm einen dunkelbraunen Holzkasten heraus. Gregor kannte diese typischen Kästen. Sie enthielten zwei Duellpistolen und das Werkzeug zu ihrer Reinigung. Michejew klappte den Deckel auf. Auf rotem Samt glitzerten die Waffen in der Morgensonne, die durch die hohen Fenster in den Saal schien.
    »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Exzellenz …«, sagte Gregor heiser und rührte sich nicht vom Platz.
    Michejew nickte. »Wladimir Alexandrowitsch heiße ich. Die Pistolen sind bereits geladen. Sie sehen, ich habe alles gründlich vorbereitet.«
    »Ein Duell ohne Arzt – ohne Sekundanten? Ohne Zeugen?«
    »Völlig unnötig bei uns! Oder denken Sie anders darüber, Gregorij Maximowitsch? Der Skandal hatte schon Zeugen genug! Das ist eine Sache nur zwischen uns. Erschieße ich Sie, werfe ich Sie in die Newa, und keiner wird lange fragen, wie Sie dorthin gekommen sind! Erschießen Sie mich, wird mich mein Leiblakai aufbahren, und mein Arzt wird verkünden, es sei ein Unglücksfall beim Pistolenreinigen gewesen. Wir sind übrigens fast allein im Palais. Die Dienerschaft hat von mir den ersten Tag im neuen Jahr frei bekommen.«
    Er stellte den Pistolenkasten auf einen Tisch und nahm eine der Duellpistolen heraus. Gregor rührte sich nicht.
    »Nun?« Der General blickte ihn gereizt an. »Haben Sie plötzlich Angst? Muß ich Sie erst ins Gesicht schlagen, damit Sie die Pistole nehmen?«
    »Sie sind Grazinas Vater, und ich …«
    »Sie sollen den Namen nicht mehr nennen!« schrie Michejew. »Haben Sie plötzlich Angst, frage ich noch einmal! Natürlich weiß auch ich, daß Sie als der beste Pistolenschütze gelten, der in den Salons herumlungert! Aber vergessen Sie nicht: Ich habe den ersten Schuß!«
    »Was wir hier tun, ist doch Irrsinn, Wladimir Alexandrowitsch«, sagte Gregor tonlos. Er begriff es einfach nicht. Wozu dieses Duell, wenn man sich andererseits wie gute Freunde anredete? Nur wegen der Vaterehre? Nur wegen eines toten Begriffes … sich totschießen lassen? Aus einem Nichts eine blutige Tragödie machen, denn was zwischen Grazina und ihm geschehen war, war doch nur der unschuldige Beginn einer Liebe gewesen und keinesfalls eine Entehrung des Hauses Michejew?
    »Überlassen Sie die Beurteilung mir«, sagte der General kalt. »Nehmen Sie endlich Ihre Pistole!«
    Gregor gehorchte. Wie aufgezogen ging er zu dem Tisch, nahm die Waffe aus dem rotsamtenen Kasten und umklammerte den mit Gold und Elfenbein eingelegten Griff. Michejew nickte.
    »Der Saal ist groß genug. Sie haben fünf Schritte, ich habe fünf Schritte … zehn Schritte Distanz, da kann eigentlich gar nichts fehlgehen. Einverstanden?«
    »Einverstanden!«
    Gregor erkannte seine Stimme kaum wieder. Es war nicht Angst, die ihn innerlich lähmte, sondern Fassungslosigkeit darüber, daß ein Mann wie Michejew ihn zwingen konnte, etwas völlig Unsinniges zu tun.
    »Na, dann los!« sagte Michejew beinahe zufrieden, ja, fast fröhlich. »Gregorij Maximowitsch, ich muß Ihnen noch rasch sagen, daß ich Sie sympathisch finde. Verdammt, ich kann die Weiber verstehen, die Sie anhimmeln! Um so mehr bin ich beleidigt, daß auch meine Tochter auf Ihren verfluchten Charme hereingefallen ist!
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