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Liebe in St. Petersburg

Liebe in St. Petersburg

Titel: Liebe in St. Petersburg
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ein Lakai aus dem Hintergrund herbei und nahm ihr den Pelz ab. »Tanzen! Ich habe entdeckt, wie herrlich das Tanzen ist! Haben Sie das nie gewußt, Väterchen?«
    General Michejew drehte sich brüsk um und stapfte in den Saal zurück. Grazina wartete, bis er im Gewühl der Gäste verschwunden war, dann ging sie zu dem großen Spiegel und ordnete ihr Haar.
    Von irgendwoher tauchte Hauptmann von Eimmen neben Gregor auf. Dieser winkte ab, noch bevor der Freund herangekommen war. »Halt bloß den Mund!« rief er. »Kümmere dich um deine Vulkandame!«
    »Ich wollte dir auch nur den Rat geben, dich zu erschießen!« sagte von Eimmen ehrlich, aber mit etwas brüchiger Stimme. »Alle Leute sprechen bereits über Grazina und dich. Ein regelrechter Skandal! Etwas Fürchterlicheres hättest du gar nicht anstellen können. Der Botschafter ist außer sich. Sogar der Zar soll es schon wissen. Mensch, Junge, bist du verrückt geworden?«
    »Ich liebe sie, Rudolf …«
    »Eine Michejew! Erschieße dich, rate ich dir nochmals, das ist der sicherste Weg!«
    »Ich werde um elf Uhr bei Wladimir Alexandrowitsch sein!« erwiderte Gregor ruhig. Grazina kam vom Spiegel zurück. Ihr Lächeln drückte reinste Glückseligkeit aus. »Ich werde ihm sagen, daß ich seine Tochter liebe.«
    »Er wird dich umbringen lassen, du Idiot! Was hast du dann davon?«
    »Ich habe heute nacht begriffen, was Liebe ist«, sagte Gregor leise. »Begriffen … Verstehst du das? Es ist das Größte, was ein Mensch überhaupt begreifen kann …«
    Das Orchester intonierte wieder einen Walzer. Grazina breitete die Arme aus, und es war, als stürze Gregor in sie hinein. Und so tanzten sie durch den Saal. Hundert Augenpaare verfolgten sie, und hundert Münder flüsterten über das Paar …
    Hauptmann von Eimmen wandte sich ab und senkte den Kopf. Für ihn war Gregor von Puttlach bereits ein Toter.

II
    Das Stadthaus der Michejews lag an der Mojka , einem der vielen Seitenkanäle der Newa, in unmittelbarer Nachbarschaft des prachtvollen, von Rastrelli erbauten Stroganow-Palais'. Schon diese Lage beweist, daß ›Stadthaus‹ eine sehr untertriebene Bezeichnung für den kleinen Palast war, den sich die Michejews leisten konnten, ohne sich vor den Stroganows, Jussupows oder Jelagins , die allerdings eine ganze Newainsel in Besitz hatten, schämen zu müssen.
    Von Michejews Palast aus konnte man die herrliche Kasaner Kathedrale sehen, deren Glockenklang denn auch in der Familie Michejew eine gewisse Rolle spielte: Jedesmal, wenn das Glockengedröhne über die Dächer flog, bekreuzigte sich die fromme Anna Petrowna Michejewa und sprach ein kurzes Gebet. Vom Gesinde wurde das gleiche verlangt, und auch Grazina Wladimirowna wuchs so auf – zwischen Glockenklang und Kommandolauten. Denn nicht weit entfernt befanden sich auch die Admiralität und der Generalstab an der Großen Newa, und vom Dach des Hauses aus konnte man sogar die Peter-und-Pauls-Festung sehen, jenes ›steinerne Denkmal russischer Unbeugsamkeit und Unbesiegbarkeit‹, wie sie Michejew stolz nannte.
    Um zehn Minuten vor elf Uhr ließ sich Gregor von Puttlach beim Haushofmeister des Michejew-Palastes melden. Man empfing ihn höflich, aber kühl, geleitete ihn in einen mit französischem Brokat ausgeschlagenen Vorraum und ließ ihn warten. Ein riesiger Spiegel in einem breiten, geschnitzten, mit echtem Gold belegten Rahmen hing an einer der kostbaren Wände und erweiterte den Raum optisch.
    Gregor trat vor den Spiegel und betrachtete sich. Seine Ulanenuniform saß wie eine zweite Haut. Das Gesicht war von der Kälte gerötet, aber es zeigte weder Furcht vor der kommenden Auseinandersetzung mit Grazinas Vater, noch einen Anflug jener Demut, zu der man ihm in der Deutschen Botschaft geraten hatte.
    Das war übrigens das einzige, was man Gregor von Puttlach mit auf den Weg gegeben hatte. Oberst von Semrock, der Gesandte Erster Klasse und Chef der Militärabteilung, hatte Gregor zu sich gerufen und ihn eine Weile nur stumm angestarrt.
    »Sind Sie eigentlich verrückt geworden?« hatte er dann endlich gefragt.
    »Nein, Herr Oberst!« hatte Gregor wahrheitsgemäß geantwortet.
    »General Michejew hat mit seiner Gattin ostentativ den Silvesterball verlassen! Das war eine Demonstration! Und was tun Sie? Sie tanzen mit der Tochter fröhlich und ungeniert weiter, als sei es selbstverständlich, daß sich ein junges Mädchen dem Wunsch seines Vaters widersetzt! Widersetzt – in einer russischen Adelsfamilie! Herr von
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