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Liebe im Schnee

Liebe im Schnee

Titel: Liebe im Schnee
Autoren: S. Fischer-Fabian
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abzuschirmen. Es gab einen kurzen, aber harten Kampf, wie bei Hühnern, die um einen fetten Brocken kämpfen, dann saß der Florian mit drei Alleinunterhalterinnen an einem Tisch. Die vierte zog maulend ab.
    »Was spendierste?« fragte die Schwarze. Sie nannte sich May Wong, gab an, aus Hongkong zu stammen, und hatte einen leichten sächsischen Akzent.
    »Eine Lage Höllenwasser«, sagte der Florian aus alter Gewohnheit.
    »So was führen wir nich’«, sagte Blondchen Numero 1. Sie hieß Marylin, die andere Anni und war, selbstredend, ihr Schwesterlein.
    »Na dann Kognak.« Der Florian fuhr sich mit dem Zeigefinger zwischen Kragen und Hals. Was er immer tat, wenn er sich unbehaglich zu fühlen begann.
    »Der Arzt hat uns nur Sekt erlaubt«, piepste Anni. Die beiden anderen lachten lange über den enormen Scherz.
    Auf dem Etikett der Sektflasche, die der Ober mit berufsfremder Eile brachte, stand Hausmarke. So schmeckte er auch.
    »Was bist ‘n so braun, Kleiner, warst de bei de Neger?« eröffnete May Wong die gepflegte Konversation.
    Der Florian überlegte sich gerade einen strategischen Rückzug, da schlug ihm jemand krachend auf die Schulter. Es war Herr Bratke.
    »Ärger gehabt mit Ihrer Dulzinea?« fragte er, ohne eine Antwort haben zu wollen. Im Aufschlag seines Smokings trug er eine Nelke, an der er pausenlos schnupperte. »Wußte ich es doch. Bratke weiß es immer.« Er zog sich einen Stuhl heran. »Und ihr drei Hübschen«, wandte er sich an seine Damen, »wart ihr nett zu meinem Freund?«
    »Zu nett noch nicht, Chef«, kicherte Marylin.
    »Schnauze, Elsbeth«, sagte Herr Bratke, der seinen Ruf vor Florian gewahrt wissen wollte. »Und jetzt trinken wir alle Mann Grog zur Feier des Tages.«
    Da Bratke als Chef des Hauses die Bestellung aufgab, wurde es ein Grog nach Hamburger Art: Rum muß, Zucker kann, Wasser braucht nicht. Der Grog traf in Horians Magen den Hausmarkensekt und bekam sofort Streit mit ihm.
    Die Bar begann sich langsam zu füllen. Mit einem Publikum, das man gemischt nennen durfte. Entwicklungsmenschen mit ihren Fräuleins waren darunter. Und Intellektuelle, die nicht aus Vergnügungsgründen kamen, sondern um einen Blick zu tun in die Sozio-Psychologie des modernen Lasters. Und junge Leute, deren Mädchen furchtbar verlegen taten. Und Provinzler aus dem großen Rest, der außer Hamburg noch von Deutschland existiert. Und hier und da ein Seemann, den es aus unerfindlichen Gründen auf die Reeperbahn verschlagen hatte. Hamburger waren nicht unter den Gästen. Weil Hamburger so was nicht tun. Sagen die Hamburger.
    Und noch einen Grog. Und noch eine Pulle Sekt. Dann wurde es schummrig. Ein Rotschopf latschte auf die Bühne — der Florian zuckte schmerzhaft zusammen bei dem Rot — und sang mit einer Stimme, die man bequem zum Kartoffelreiben benutzen konnte, etwas sehr sehr Trauriges. Es ging tun »weiheite Ferne« und um »Ta—ha—ve—herne«, um »Glü—hü—hück« und um »zu—hu—rühück«.
    Der Beifall war dünn. Dafür wurde es jetzt ganz dunkel. Ein Scheinwerfer blendete auf und beleuchtete die Geographie der Schwedin Mona. Der Barpianist hämmerte, und Mona begann ihren, laut Programm, »künstlerisch-ästhetischen Entkleidungsakt«. Es dauerte jedesmal furchtbar lange, bis sie aus irgend etwas heraus war.
    »Mit der auf Hochzeitsreise, da kriste Hummeln«, flüsterte einer am Nebentisch. Der Florian mußte ziemlich lachen. Er fühlte sich überhaupt sehr heiter auf einmal. Und noch ‘n Grog. Dann trommelte Trommelwirbel. Mona häkelte an ihrem BH herum, bekam ihn tatsächlich auf und warf ihn in die Menge. Der Florian angelte sich das Dessous mit einem geschickten Griff und bekam dafür brausenden Beifall.
    Dann stürzte alles auf die Fläche und versuchte den neuesten Modetanz, bei dem es darauf ankam, der Partnerin auf möglichst komplizierte Weise einen Kuß zu verabreichen. Der Flori tanzte Letkiss, wie der Tanz hieß, abwechselnd mit Anni, May Wong und Marylin.
    Und noch ‘n Grog. Und noch ‘ne Pulle Sekt. Und der Kellner vertauschte diskret den Bierdeckel, auf den der Florian seine Zeche sorgfältig notiert hatte.

    »Ein wenig müde, Señorita Bremer?« fragte Señor Pereyra höflich.
    »Es geht gleich vorüber«, antwortete Kirsten höflich. Sie versuchte, unauffällig ihre Pumps abzustreifen. Die Tischdecke war nicht lang genug, um das Manöver zu verbergen.
    »Esplendido!« schrie Señor Pereyra im selben Moment auf. Kirsten hielt erschrocken inne. Der
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