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Liebe im Schnee

Liebe im Schnee

Titel: Liebe im Schnee
Autoren: S. Fischer-Fabian
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Gorilla vom Dienst.
    »Zahle, mein Jungchen!« bellte er und schaute drein, als habe er Reißnägel gefrühstückt.
    Der Florian spürte, wie seine Kopfhaut sich spannte. Der mit dem Blumenkohlohr schien keinen Spaß zu verstehen. Er stand langsam auf und sagte: »B’scheißen laß i mi net, damit ‘s es woaßt, Sauhund varrekter!« Im selben Moment hatte er den Tisch hochgerissen und gegen den Gorilla geschleudert. Gläser zerspritzten, Flaschen klirrten, Frauen kreischten. Die Kapelle spielte sofort lauter.
    Der Gorilla schaute den Fremden einen Moment verblüfft an. Er war es nicht gewöhnt, daß die Gäste sich wehrten, wenn er auftauchte. Er machte zwei schlurfende Schritte und schlug einen Haken, der einem Ochsen den Kopf abgerissen hätte. Dem Florian gelang es gerade noch, darunter wegzutauchen.
    Er kam wieder hoch und rammte dem Gorilla seinen Schädel ins Gesicht. Der Gorilla flog zurück, riß drei Tische um und ging zu Boden. Er spuckte Blut, schüttelte sich, stand auf und kam torkelnd näher. Der Florian konnte seiner Rechten ausweichen, aber die Linke traf ihn voll.
    Er taumelte, die zerschlagene Visage des Rausschmeißers war über ihm, er sah den Messingschlagring in der Luft blitzen, er schloß die Augen, er hörte ein scharfes, splitterndes Krachen...
    Als er die Augen wieder öffnete, lag der Gorilla am Boden und sagte kein einziges Wort. Daneben stand ein junges blondes Mädchen (»So a Silberblonde g’wissermaßen!«) und umkrampfte mit der rechten Hand den zerbrochenen Hals einer Sektflasche. Den Bauch der Sektflasche hatte sie soeben dem Rausschmeißer von hinten über den Schädel gehauen. Der Florian fand, daß das Mädchen Ähnlichkeit mit Kirsten hatte. Dann sah er Sterne, ein Engelschor sang überirdisch schön, das blonde Mädchen beugte sich über ihn und fragte nicht ganz mit Unrecht: »Was machst du denn hier?«
    Ach, war das ein schöner Traum...

    »Doppelt genäht«, sagte der diensthabende Arzt des Eppendorfer Krankenhauses und ließ die Nadel sinken, »hält besser. Nicht wahr?«
    Die Schwester rollte den Patienten langsam aus dem Behandlungszimmer auf den Flur.
    »Ist es sehr schlimm, Herr Doktor?« fragte Kirsten.
    »Bis er heiratet«, sagte der Arzt, der die Gemeinplätze zu lieben schien«, »ist alles wieder okay.«
    »Dann muß er sich aber beeilen«, sagte Kirsten.
    »Jung gefreit, hat nie gereut«, sagte der Arzt. Und er setzte hinzu: »Jetzt bleibt er erst mal hier, gnädiges Fräulein. Er ist ja nicht nur verletzt, sondern auch besoffen.«
    »Ich bitte Sie...«, stammelte Kirsten.
    »Ich möchte nicht sagen, daß er Alkohol im Blut hätte«, scherzte der Arzt fein, »aber auf jeden Fall ist sein Alkohol mit Blut vermischt.« Dann verabschiedete er sich, weil ein Mann eingeliefert wurde, der in eine Seitenstraße eingebogen war, obwohl gar keine dagewesen war. »Gegen vier können Sie ihn wiederhaben, gnädiges Fräulein!« rief er Kirsten noch nach.
    Sie ging den Flur entlang und fragte die Schwester, ob sie sich noch einen Moment an sein Bett setzen dürfte.
    »Zehn Minuten«, sagte die Schwester streng.
    Der Florian schlief tief und fest. Sie nahm seine Hand und küßte sie. Ihre Tränen flössen über die Hand. »Liebster!« flüsterte sie. »Mein lieber, lieber, Liebster...«
    Unten im Wagen wartete Señor Pereyra. Er war nicht mit hinaufgekommen, weil er kein Blut sehen konnte.

    Die Konsulin Helen Bremer entstammte uraltem hamburgi-schem Geschlecht. Nach ihren Vorfahren hatten die Hamburger eine Straße benannt. In jeder anderen deutschen Stadt wäre ihre Familie längst adlig. Doch das Geadeltwerden hatte hanseatischer Trotz genauso verhindert wie das Dekoriertwerden mit Orden.
    Helen Bremer war nicht nur eine Geborene, sie war darüber hinaus aus Pöseldorf. Und das ist beinahe noch schlimmer. Pöseldorf ist der Name eines Häusergevierts westlich der Außenalster. Hier wurde »man« geboren, oder es lohnte sich überhaupt nicht, geboren zu werden. Die Pöseldorferin war so exklusiv, daß sie Sauerkraut mit französischem Champagner anmachte und steif und fest behauptete: »Ganz arme Leute nehmen jawohl Mosel.«
    An diesem Nachmittag hatte die Konsulin ihren Damentee. Zehn Damen hatten sich im Wohnzimmer der Blankeneser Villa versammelt. Sie trugen dezente Kostüme und gewagte Hüte. Sie tranken, das heißt, nahmen aus hauchfeinen Schalen ihren Tee. Auf englische Art, versteht sich, mit einem Schuß Milch.
    Doch alle Dezenz hielt sie nicht davon ab, eifrig zu
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