Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe im Schnee

Liebe im Schnee

Titel: Liebe im Schnee
Autoren: S. Fischer-Fabian
Vom Netzwerk:
Brüdern hat man so seinen Ärger. Anwesende natürlich ausgeschlossen.«
    Als Bratke sich endlich gebettet hatte, begann Florian sich auszuziehen. Für jemand, der ein Meter und siebenundachtzig mißt, kommt das in einem Schlafwagen einem Parterreakt gleich. Der kritische Punkt ist erreicht, wenn der Kopf sich unter dem Oberhemd befindet, die linke Hand den Körper an der Waschnische abstützt, während die Rechte den unteren hinteren Hemdsaum über den Rücken aufwärts ziehen will. Geht der Zug jetzt in eine Kurve oder muß aus irgendeinem Grund bremsen, ist alles verloren. Man hat Fahrgäste im Schlafwagenabteil gefunden, die man aus ihren Oberhemden förmlich herausschneiden mußte.
    Später lagen sie in ihren Betten und unterhielten sich. Das heißt, Herr Bratke unterhielt Florian. Er erzählte, daß er mehrere Nachtlokale besitze. In München, Hannover und nun auch in Hamburg. Auf St. Pauli, genauer gesagt.
    »Ich mach’ da ganz was Neues. Eselreiten, Damenringkämpfe im Schlamm, Wäscheangeln, damit lockt man heute keinen mehr weg vom Telewischen. Wissen Se, was ich mache?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte der Florian.
    »Ich mache in Taxigirls. Die könn’ Se mieten, für ‘ne Stunde, oder meinswegen den ganzen Abend, wenn Se genügend Ponunse haben. Nur mitnehm dürfen Se keine Dame. Und die Dame Sie auch nich! Das heißt, offiziell. Wir haben erstklassiges Material zur Verfügung. Aus Schweden, Frankreich, Deutschland natürlich, und neuerdings auch Japan.« Herr Bratke kramte in seinem Nachttischkästchen herum. Er reichte seinem Schlafgenossen eine buntbedruckte Karte hinauf.
    »Kommen Se doch mal vorbei, wenn Sie auf St. Pauli sind, Herr Leitner! Trinken wir ‘n Schnaps zusammen! Sie sind mir sympathisch, ich mag die Bayern.«
    »Bratkes Bummel-Bar«, las der Florian, »die Bar neuen Stils. Mit 22 Alleinunterhalterinnen. Damen der internationalen Gesellschaft unterhalten Sie auf das Intimste. Die Presse ist begeistert. Der neue Typ der europäischen Geisha wird auch Sie erfreuen.« Er wollte Herrn Bratke die Karte mit einer höflichen Entschuldigung wieder zurückgeben.
    »Behalten Se se«, sagte Bratke, »man kann nie wissen, was alles so passiert!«
    »Schon möglich«, sagte der Florian höflich und steckte die Karte in seine Brieftasche.
    »Was machen Sie denn in Hamburg, wenn ich fragen darf? Geschäftlich?«
    »Ach nur so...«
    »Ein Mädchen also«, sagte Herr Bratke, der ein Menschenkenner zu sein schien.
    Der Florian gab keine Antwort. Bratke störte das nicht. »Ich sage ja immer«, philosophierte er, »Finger weg! Kann nischt Gutes bei rauskommen. Und wenn ich so was sage, dann weiß ich warum. Bin nämlich dreimal verheiratet gewesen, falls Sie das interessiert...«
    Den Florian interessierte es nicht.
    »Die erste war’n Mutterkind. Ihre Alte von morgens bis abends bei uns zugange, selbst auf die Hochzeitsreise hatte sie mitwollen, und dauernd das Gerede von wegen, daß ihre Tochter eigentlich was Besseres hätte kriegen können. Na, da hatte ich bald die Faxen dicke. Hören Sie noch, Herr Leitner?«
    »Ich höre schon.«
    »Die zweite war ‘n Putzteufel. Die kannt’ ich nur mit Schürze. Meine Goldfische hat se verhungern lassen, weil sie angeblich Dreck machten. Parkett naß aufwischen war ihre Spezialität, und ‘s Rauchen sollt’ ich mir abgewöhnen wegen der Asche. Eines Tages hab’ ich ‘ne Fliege gemacht. Schluß, aus, dein treuer Vater! Dann habe ich mir ‘ne ganz junge genommen, ich war ja ochsdämlich, konnte es einfach nicht lassen. Das ging ‘ne ganze Weile gut. Und wissen Se, was dann passierte? Ich wer’s Ihnen sagen...«
    Der Florian erfuhr es nicht mehr. Er war eingeschlafen.

    In Hamburg regnet’s auch, dachte der Florian, als er mit der S-Bahn hinaus zu Bremers fuhr. Er wußte nicht, daß es in Hamburg meist regnet und die Kinder bereits mit Regenmänteln auf die Welt kommen. Die Leute um ihn herum sahen alle aus, als hätten sie schlecht gefrühstückt. So tiefernst. Dafür tönten die Namen der Stationen lustig in seine Ohren. »Sternschanze!« riefen die Zugabfertiger und »Othmarschen!« und »Hochkamp!« und »Blankenese!«.
    In Blankenese mußte er aussteigen. Er ging bis zu Baurs Park und blickte hinunter auf die Elbe. Sakra, das war schon was! Der Fluß erstreckte sich ins Unendliche mit seinen Nebelbänken. Von Steinwerder her wehte der Lärm der Werften. Ein auslaufender Überseer, mit Lichtern geputzt wie ein schwimmender Weihnachtsbaum, ließ
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher