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Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)

Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Im Schutz der Schatten: Roman (German Edition)
Autoren: Helene Tursten
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D er Pizzakurier fuhr langsam die Ringögatan entlang und sprach aufgeregt in sein Handy.
    Dann legte er verärgert auf und warf das Mobiltelefon auf den Beifahrersitz. Sein Chef war wütend, weil er die Adresse nicht fand, obwohl sich der blöde Typ selbst nicht an die Hausnummer erinnerte. »Steht auf Zettel, Adem. Du lesen!«, hatte er gebrüllt und aufgelegt. Super! Die Zahl konnte eine Zwei, Sieben oder Neun sein. Außerdem: Wo zum Teufel lag die Kolgruvegatan? War ein Navi zu viel verlangt? Selber besaß er leider nur ein altes Handy ohne GPS . Von seinem Lohn wollte er sich als Erstes ein iPhone kaufen.
    Adem Guzel arbeitete den dritten Abend als Pizza-kurier. Jetzt bereute er es bereits bitter, sich auf diesen Job eingelassen zu haben. Gerade erst hatte er den Führerschein gemacht. In zwei Wochen würde das letzte Schuljahr beginnen. Den Sommer hatte er bei Verwandten und Freunden in der Türkei verbracht und viel Spaß gehabt. Und da er vor Schuljahresbeginn noch etwas Geld brauchte, hatte er den Job angenommen, außerdem lernte er so autofahren. Der Besitzer der Pizzeria war ein alter Freund seines Onkels, der ihm den Kontakt vermittelt hatte. Leider lag die Pizzeria im Stadtteil Brunnsbo, dort war Adem vorher noch nie.
    Er versuchte sich damit aufzumuntern, dass es die letzte Tour des Abends war. Die Pizzeria schloss um 23 Uhr, und er würde pünktlich wieder zurück sein. Vorausgesetzt er fand diese verdammte Adresse.
    Angestrengt versuchte er die Straßenschilder zu lesen, doch dazu war es fast zu dunkel. An etlichen Stellen fehlten die Schilder auch, oder sie waren so verdreht, dass er sie nicht lesen konnte. Einige waren mit schwarzer Farbe übersprayt. Außerdem begann es gerade wieder zu regnen, was die Sicht auch nicht gerade verbesserte.
    Hinter ihm blendete der Fahrer eines alten VW -Pick-up die Scheinwerfer auf, weil er vorbei wollte. Er sah mit seinem Schlapphut und seinem langen grauen Bart aus wie ein in die Jahre gekommener Hippie. Beim Überholen zeigte er Adem den Mittelfinger. Adem fluchte, gab Gas, bremste dann aber abrupt wieder ab, als er ein Straßenschild bemerkte, das lesbar aussah. Er lehnte sich gegen das Beifahrerfenster. Yes! Kolgruvegatan. Er schöpfte wieder Hoffnung, seine Pizza doch noch loszuwerden, und bog mit quietschenden Reifen in die Straße ein. Er mochte dieses Geräusch und den Geruch verbrannten Gummis. Verfolgungsjagden. Niemand kriegt mich, dachte er und lachte leise. Dann verlangsamte er sofort wieder und suchte die niedrigen Häuser nach Hausnummern ab.
    Nichts als alte Holzhäuser und Schuppen. Ihm fiel auf, wie dunkel und verlassen die Gegend war. Die meisten Straßenlaternen waren beschädigt, trotzdem ließen sich einige verblichene Schilder lesen: Autowerkstatt, Import-Export, ein Malermeister. Die Gebäude befanden sich in einem Zustand betrüblichen Verfalls. Ganz offensichtlich waren die Firmen schon vor Jahren ausgezogen. Adem hatte das Gefühl, durch eine Geisterstadt zu fahren. In der unbehaglichen Kälte sträubten sich ihm die Nackenhärchen und in ihm wuchs der fatale Gedanke, sich in einem Horrorfilm zu befinden. Er schrie, als etwas vor seinen Scheinwerfern vorbeihuschte, aber es war nur ein großer schwarzer Vogel, wahrscheinlich eine Krähe. Trotzdem pochte sein Herz wie wild in seiner Brust.
    Vor ihm beleuchtete eine noch funktionierende Laterne einen alten Bootsrumpf auf Land. Vermutlich der fliegende Holländer, dachte Adem, bemüht, die aufkeimende Angst zu unterdrücken. Hinter dem Boot konnte er das schwarze Wasser des Götaälvs ausmachen. Dies war das alte Hafenviertel, hier wohnte niemand. Wer bloß hatte an einem späten Samstagabend telefonisch eine Kebabpizza mit extra Sauce béarnaise dorthin bestellt? Niemand. Absolut niemand! Er versuchte ruhig zu atmen, doch langsam ergriff die Panik Besitz von ihm. Was, wenn das eine Falle war? Er sollte jetzt besser abhauen.
    Adem hielt an, um zu wenden, doch die Straße war zu schmal, und er setzte den Wagen zurück. Eine Straßenseite wurde von einem hohen Stacheldrahtzaun gesäumt. Die Gittertore waren gut drei Meter hoch. An einem Tor hing ein gelbes Schild, das er jedoch nicht lesen konnte, da es zu verblichen war. Hinter dem Zaun lag Gerümpel. Plötzlich meinte er, hinter einem Fenster einen Lichtschein zu sehen. Befand sich doch jemand in dem Gebäude? Er fuhr langsamer und suchte nach der Hausnummer. Hatte er jetzt doch endlich die richtige Adresse gefunden?
    Plötzlich wurde in dem
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