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Liebe im Schnee

Liebe im Schnee

Titel: Liebe im Schnee
Autoren: S. Fischer-Fabian
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zum Opfer gefallen. Dort, wo einst bunte Flaschen lockten, breiteten sich trübe Pfützen. Über den Dorfteich trieben schmutzige Eisschollen. Wie Galgenarme ragten die Stahlmasten der Lifte in den wolkenverhangenen Himmel.
    Auf den Fensterbänken der Hotels lümmelten sich die roten Inletts abgezogener Betten. Die Schläge der Teppichklopfer hallten durch die verlassenen Straßen. Es wurde gefegt, gewischt und geputzt.
    Außerdem regnete es. Es war kein richtiger, ehrlicher Regen. Es war ein mit Graupeln vermischtes Geriesel, was da vom Himmel rann. Und von den Dächern. Und von den Hüten der Einheimischen. Von den Hüten der Fremden konnte es nicht rinnen, weil keine mehr da waren.
    »Dreggwetter, greißlich’s«, sagte der Bahnhofsvorsteher Obermayer und gähnte mit weit aufgerissenem Mund. Er schaute gelangweilt auf die große Uhr. In zehn Minuten mußte er den Münchener D-Zug abfertigen. Mei, würde der wieder leer sein!
    Es war schon maßlos traurig in Himmelsjoch. Und es wäre noch trauriger gewesen, wenn man nicht einen solch interessanten Klatsch gehabt hätte.

    »A bisserl g’freit’s mi scho’, dem Leitner sei Kreiz«, sagte der Barbier Reitmayer. Er hatte den Charakterkopf des Herrn Madeira unter der Schere. »Der Hund, der jagerte, mit seine vieln Weiber. Das hat ihm ja amal danebengehen müassen.«
    »Das hat es in der Tat«, sagte Madeira, alias Klumpschmidt, der es vermied, bayrisch zu sprechen, weil er bayrisch für gewöhnlich hielt. Er bevorzugte statt dessen eine Art Kurgastdeutsch. »Ich dachte, das darf doch nicht wahr sein, als die Perücke in die Luft ging. Eine echte Sensation!«
    »Waren’s am End persönlicher Augenzeuge von dera Gaudi?«
    »Was heißt Augenzeuge? Fotografiert hätte ich es um ein Haar! Leider war in dem Moment mein Film zu Ende.« Madeira fing an, sich wieder zu ärgern, daß er diese Chance verpaßt hatte.
    »Und dees Freilein, wie hat sie ‘s denn aufgenommen?« fragte der Reitmayer und klapperte erregt mit der Schere. Dabei hatte er bereits fünf Versionen geliefert bekommen, wie das Fräulein es aufgenommen hatte.
    »Geheult hat sie, geheult wie ein Schloßhund, als der Leitner ihr die Ohrfeige gab.«
    »I lassert mi aa net zum Hanswurschten macha. Und schon gar net von an Weibsbild.« Der Reitmayer legte die Schere aus der Hand. »Mechten S’ a Wasser?«
    »Eau de Paris«, sagte Madeira, »wie immer. Ja, und dann ist sie auf das Zimmer von ihrem Vater gerannt und hat sich die Nacht über eingeschlossen! Der Vater ist übrigens mehrfacher Multimillionär. In Hamburg hat er ein paar Schifffahrtslinien, Senator ist er auch und außerdem ...«
    »Sie, Herr Madeira, stimmt dees, was i da g’heert hab?« Der Barbier senkte die Stimme. »Der Senater, oder wie man da sagt, der soll mit dera Dame ein Umgang g’habt ham, die wo seiner Tochter de Haar runtergezogen hat. Un dees hat’s gerad mit z’ Fleiß g’macht, weil’s der Senator nimmer mögen hat.«
    Madeira zuckte mit den Achseln, als wollte er sagen: Guter Mann, wem erzählen Sie das, schließlich habe ich an einem bewußten Foto einiges verdient. Sagen aber tat er: »Soviel ich weiß, hatte er es mit der Hendricksen, mit der vom Verkehrsbüro. Der Toni von der >Sonne< hat beobachtet, wie sie’s an der Bar miteinander trieben.«
    »Schräg oder gerade?«
    »Wie bitte?«
    »I moan Eahnerne Koteletten.«
    »Wie immer.«
    »Herrschaftsseiten, mit zwoa Madln auf amal.« In dem Reitmayer seiner Stimme schwang leiser Neid. »Erst gestern hab i zur Frau g’sagt, Frau sag i, d’ Welt kann nimmer lang stehn, wenn’s aso umeinanderschlampen.«
    »Die wußten schon, warum sie am anderen Morgen sofort türmten.« Madeiras Stimme kam etwas gequetscht, weil ihm der Reitmayer die Haare aus der Nase schnipselte. »Und der Lange mit dem Gipsbein gleich mit. Nur die Hendricksen hat noch bleiben müssen.«
    »Herrschaftssakra, mit zwoa auf amal...«, wiederholte der Barbier und schnalzte mit der Zunge.

    »Fang mir oben an!«, sagte der Wammetsberger junior zum Schlittentoni. Der Toni war Mädchen für alles. Diesmal half er dem Wammetsberger bei der Bestandsaufnahme, die nach jeder Saison gemacht wurde.
    Sie gingen durch die einzelnen Zimmer und notierten sorgfältig die kleineren und die größeren Schäden. Denn Skifahrervolk ist ein wildes Volk. Da gab es defekte Schalter, von Rasierklingen zerschnittene Handtücher, gesprungene Spiegel, abgerissene Gardinen. Die italienischen Schulkinder hatten die Wände ihrer
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