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Liebe die bleibt

Liebe die bleibt

Titel: Liebe die bleibt
Autoren: Carmen Sanders
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versetzt. Ein Glücksgefühl, das keine Verantwortung kennt, mir aber die Gewissheit verleiht, das Richtige im falschen Moment zu tun. Ich spüre die Hitze in meinem Unterleib, als hätte sich dort eine Gesellschaft liebestoller Teufelinnen eingemietet. Ich will alles anfassen, was ihm gehört, will alles auflecken, was nach ihm schmeckt und alles hören, was er mir sagt. Jedes Wort, jede Silbe, jeden Buchstaben. Auch das Ungesagte, die stummen Vorwürfe, die lautlosen Zweifel und verblichenen Hoffnungen, all die kleinen Liebeswunden, die vermutlich nie heilen werden.
    „Du wirst mir fehlen… so verdammt fehlen“, flüstere ich panisch, während meine Lippen hektisch die seinen berühren und ich fieberhaft die Haken meiner Korsage löse.
    „Ich war nicht gut genug für dich. Ich wollte dich nicht unglücklich machen… ich habe dich nicht verdient… Hörst du?“
    „Sei still …“ Ich lege meinen Zeigfinger auf seine Lippen, bevor ich ihn küsse, fordernd, ängstlich, von konfuser Leidenschaft erfüllt.
    Blitzartig reißt er mich von sich, blickt mir in die Augen, als wolle er mich zur Vernunft bringen.
    „Du hast etwas Besseres verdient! Ich bin es nicht wert, dass du mir hinterhertrauerst… Schwöre, dass du mich vergisst!“
    „Ich schwöre“, lüge ich, erhebe Mittel- und Zeigefinger zu einer belanglosen Geste. Augustin blickt mich zweifelnd an. Ich versuche, ihn abzulenken, beiße ihm sanft ins linke Ohrläppchen und hauche ihm ein paar glaubwürdigere Worte ins Ohr.
    „ Du bist ein Schuft, ein elender Mistkerl… ein Egoist…“
    „Dafür solltest du mich hassen…“ , ergänzt er einsichtig, mit blitzenden Augen.
    „Ja, das werde ich … aber j-e-t-z-t bist du m-e-i-n Mann für eine Nacht… lieb mich, hier auf diesem Bett und neben dieser Frau. Und mach deine Sache gut, das bist du mir schuldig. Dann verschwinde ich aus deinem Leben.“
    Das, was ich sage, klingt nicht überzeugt, nicht glaubwürdig . Es sind Worte, die mir meine Hormone soufflieren. Konsonanten und Vokale, die ineinander fließen, nichts als schmückendes Beiwerk, um meiner sexuellen Lust den nötigen Freiraum zu verschaffen.
    Ich streife mein Kleid vom Körper und lege mich, nur mit schwarzen Strümpfen und der weißen Spitzenunterwäsche bekleidet, aufs Bett. Ich zittere, obwohl mir heiß ist.
    „Lieb mich , küss mich…“, hauche ich Augustin zu, meine Hände bald schon in seinem blonden Haarschopf vergraben, seinen durchtrainierten Oberkörper fest an mich gepresst, bis ich seine Männlichkeit in mir spüre. Ein vertrautes Gefühl, das mir die Tränen in die Augen drückt. Wir lieben uns trotzdem auf eine irgendwie leise Art. Ohne Worte, ohne lautstarke Gier, von ängstlicher Hingabe und Trauer erfüllt. Ein Akt der Liebe, wo Tränen der Erinnerung weggeküsst werden, Hoffnungen sich nicht mehr wie ein vollmundiges Versprechen im Gesicht des anderen spiegeln, wo sexuelle Lust nicht mehr als Hingabe, sondern als Aufgabe ins orgiastische Jenseits gebuckelt wird. Ein Akt, in dem Liebe der Erlösung weicht. Trotzdem koste ich es aus, dieses Gefühl, das nach Betrug riecht und nach Abschied schmeckt.
     
    „Hinter jeder Liebe verbirgt sich ein neuer Betrug, hinter jedem Betrug eine neue Liebe“, sinniere ich laut, als wir einige Minuten später wortlos nebeneinander liegen. Augustin schweigt. Diesmal bekomme ich keine Antwort, die ich mir zurechtlegen kann. Kein Wunder, Augustin ist eingeschlafen. Das Schlafmittel hat gewirkt. Ich richte mich auf und streichle ihm noch einmal durch seine kräftigen, langen Haare, küsse ihm auf die Stirn, auf seinen Mund. Er reagiert nicht, schläft tief und fest. Wie schön und unschuldig er aussieht, wenn er schläft. Ich nehme mein Handy und schieße ein Erinnerungsfoto von ihm. Dann stehe ich auf und kleide mich wieder an. Dabei fällt mir Augustins weißes Hemd auf, das wie weggeworfen am Boden liegt. Ich hebe es auf, vergrabe meine Nase im seidigen Stoff und atme tief ein.
    Ich werde es konservieren, beschließe ich.
    Bevor ich einen Beutel aus der Kameratasche ziehe und das Hemd hineinstopfe, ziehe ich ein Utensil aus dem Zubehörfach, das Fotografen eher selten mit sich herumtragen, schon weil sie ihre Kamera nicht beschädigen wollen. Ich setze mich aufs Bett, betrachte meinen Liebsten. Er liegt auf dem Bauch, schnarcht tief und ahnungslos vor sich hin. Ich zücke die kleine scharfe Schere. In diesem Moment muss ich an das Märchen Der Teufel mit den drei goldenen Haaren denken.
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