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Liebe die bleibt

Liebe die bleibt

Titel: Liebe die bleibt
Autoren: Carmen Sanders
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1 . Kapitel
     
    Heute ist kein guter Moment, aber ein wunderschöner Tag.
    Der Himmel sieht aus, als wäre er azurblau angestrichen, und die Sonne strahlt, als hätte der H errgott Bestechungsgeld bekommen. Die Luft ist mild und duftet nach Maiglöckchen, die Vöglein schmettern ihre schallenden Gesänge von den Bäumen. Alles sprießt und trällert, strahlt und frohlockt. Man könnte fast meinen, der Lenz habe sich in die Braut verliebt. Es ist ein Hochzeitstag, wie ich ihn mir immer erträumt habe.
     
    Bevor die Trauung beginnt, atme ich noch einmal tief durch, versuche mir meine Aufregung nicht anmerken zu lassen, das leichte Zittern meiner Hände zu verbergen. Sanft streife ich über mein cremefarbenes, bodenlanges Kleid, das aussieht, als wäre es aus edelster Brüsseler Spitze gewirkt. Unauffällig überprüfe ich die kleinen Häkchen meiner Taillenkorsage. Ein sündiges Teil aus tiefschwarzem Samt, das ich über meinem Kleid trage und das mir eine schmale Taille verleiht. Meine dunklen Haare habe ich kunstvoll hochgesteckt und mit kleinen, unechten Rosenblüten geschmückt, natürlich dem zarten Farbton meines Kleides angepasst. Ich habe keine Kosten und Mühen gescheut, obwohl ich mir das Ganze eigentlich gar nicht leisten kann. Aber der Aufwand hat sich gelohnt. So schön wie heute war ich noch nie. Ich genieße die bewundernden Blicke der Gäste, die sich in der kleinen idyllischen Kapelle versammelt haben. Lediglich die kleine Schleppe meines Kleides macht mir Sorgen. Ich kann nur hoffen, dass ich mich mit meinen hohen Absätzen nicht darin verfange oder mir jemand drauftritt. Das Zittern meiner Hände hat sich verflüchtigt, dafür schlägt mein Herz umso heftiger. Ich habe Angst, einen Fehler zu machen, unangenehm aufzufallen, die Kontenance zu verlieren…
    Bleib ganz ruhig, versuche ich mich zu beruhigen, schließe die Augen und atme die milde Frühlingsluft ein. Aber mein Atem gerät ins Stocken und die Hände fangen wieder an zu zittern.
    „Du siehst bezaubernd aus“, raunt mir eine tiefe , vertraute Stimme ins Ohr. Es ist der Bräutigam. Er steht hinter mir. Sein warmer Atem kitzelt mir im Ohr, sein vertrauter Geruch die Nase. Ich kann wieder atmen, inhaliere den zitronenartigen Duft seines Rasierwassers, das ich ihm einmal geschenkt habe. Seitdem hat er kein anderes mehr benutzt.
    „Du riechst gut“, sage ich aufblinzelnd und ergebe mich dem prickelnden Schauder, der meinen Körper streift. Ich schließe beseelt meine Augen.
    „Ich freue mich auf heute Nacht“, flüstere ich ihm weiter zu. Ich bemühe mich, verheißungsvoll zu klingen. Aber meine Stimme verfehlt den holden Liebreiz der Verlockung und schmeckt nicht nach dem vergnüglichen Verlangen der Vorfreude. Meine Stimme hat einen drängenden Unterton und ist angereichert mit dem bittersüßen Beigeschmacks eines Versprechens, das es einzulösen gilt.
    Für einen kurzen Moment schweigt er, bis er schwerfällig seufzt, als könne sein Schweigen meine Anspielung trüben. Aber ich reagiere mit einem bedeutungsschweren Blick in seine dämmergrauen Augen, einem unbeugsamen Blick, der keine Gnade zu kennen scheint.
    „Du bist unerbittlich…“, säuselt er geschlagen, während ich mit einer siegreichen Geste beipflichte und huldvoll zum festlichen Altar weise, an dem sich bereits der Pastor mit seinen Messdienern postiert hat, um die Trauungszer emonie zu vollziehen.
    „Es ist soweit“, sage ich feierlich bewegt, meine Stimme bebt, mein Herz rast.
    „Ich frage dich, Augustin Stern, bist du bereit , mit Silke Hohlmeier den Bund der Ehe einzugehen und vor Gott, dem allmächtigen Herrn, ihr ewige Treue zu schwören und sie zu lieben und zu ehren in guten wie in schlechten Tagen – bis dass der Tod euch scheidet? Dann antworte mit JA!“
    Von einer feierlichen Unruhe ergriffen, lausche ich den salbungsvollen Worten des Pastors. Obwohl mein Herz klopft, laut wie das Trommelschlagen im Ruderdeck von „Ben Hurs“ Galeere, sich meine Hände verkrampfen und meine Lider brennen, lass’ ich ihn nicht aus den Augen… meinen Liebsten, meinen Augustin… meinen Stern, für den nun der Ernst des Lebens beginnt. Ein Leben, fernab vom rastlosen Herumstreunen, tatenlosen Versprechen und Tagträumen.
    Noch einmal sehe ich ihn mir genau an und verabschiede mich insgeheim vom liebenswerten Vagabunden, vom leidenschaftlichen Taugenichts, in den ich mich einst verliebt hatte.
    W arum sagt er denn nichts? sinniere ich verdutzt. Warum stiert er denn
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