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Liebe auf dem Pulverfaß

Liebe auf dem Pulverfaß

Titel: Liebe auf dem Pulverfaß
Autoren: Heinz G. Konsalik
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fanden sich auf einmal sympathisch. Das Mädchen rückte wieder näher, atmete ein paarmal tief auf und schluckte mehrmals.
    »Gechlortes Wasser schmeckt abscheulich«, sagte sie.
    »Trinken wir einen Kognak zur Geschmacksverbesserung?«
    »Am frühen Morgen?«
    »Das ist dem Kognak gleichgültig.«
    »Ich schlage vor: Kaffee.«
    »Einverstanden.« Kehat sprang auf, verbiß den wieder durch seine rechte Schulter stechenden Schmerz und zog das Mädchen von den Steinplatten. Im Schwimmbecken hob einer der kraulenden Männer den Arm.
    »Legen Sie sie übers Knie, Kollege«, rief er. »Aber richtig. Auf beide Backen …«
    »Typisch Mann!« Das Mädchen warf den Kopf in den Nacken. »Immer im Komplott gegen die Frauen! Sagen Sie bloß, Sie seien an dem Zusammenprall unschuldig –«
    »Wenn Sie es so gern hören, gut: Ich bin blind gesprungen. Ich habe da unten im Wasser einen Haufen Mohnblumen gesehen und habe mir gesagt: Da mußt du runter und sie pflücken!«
    »Jetzt werden Sie vollends blöd!« Das Mädchen zog den Mohnblumenbadeanzug gerade, ging zum Sprungturm, nahm dort ein an einem Haken hängendes rotes Chiffontuch, band damit ihre langen schwarzen Haare im Nacken zusammen und kam zu Kehat zurück. Der Zauber, den sie ausstrahlte, traf ihn wie ein konzentrierter Sonnenstrahl. Er kam sich wie unter einem Brennglas vor.
    Langsam ging er ihr entgegen und ließ dabei seine rechte Schulter hängen. Es war ihm jetzt kaum noch möglich, den Arm zu heben. Sie blieb abrupt stehen und starrte ihn an. In ihren Augen flammte Schrecken auf.
    »Sie haben sich doch verletzt –«, sagte sie mit ganz kleiner Stimme.
    »Nur eine Schulterprellung –«
    »Durch meine Schuld! Mein Gott. Ich bin einfach losgeschwommen und habe nicht gesehen, daß …«
    »Wir waren uns einig, daß es meine Schuld war«, sagte Kehat.
    »Aber nun ist alles anders. Sie sind … Sie haben Schmerzen …«
    »Ich werde sie mit einem Kognak betäuben. Gehen wir …?«
    Sie nickte. Mit gesenktem Kopf ging sie neben ihm her, blickte nicht mehr hoch, schien die Schritte und die Steine zu zählen und sagte kein Wort. Kehat hatte Zeit, sie zu betrachten. Sie ging wie eine Gazelle, schwerelos, lautlos, als berühre sie gar nicht den Boden. Sie war größer, als sie zuerst im Liegen ausgesehen hatte … sie reichte ihm bis zu den Augen, und er war ein großer schlanker Mann mit breiten Schultern, schmalen Hüften und einem ziemlich verwuschelten, blonden Haarschopf. Viele Leute würden sagen: Da muß ein Friseur her … aber Kehat liebte diese wirren Haare, und wenn er lachte, paßten sie genau zu ihm.
    Sie schwiegen, bis sie die Terrasse des Restaurants erreicht hatten und sich an einen der vielen, noch freien Tische setzten. Langsam füllte sich jetzt das ›Südbad‹. Kehat sah auf seine Armbanduhr, es war knapp vor zehn.
    »Sehen wir uns wieder?« fragte er. Das Mädchen hob den Kopf. In seinen schwarzen Augen lagen Fragen und Ratlosigkeit.
    »Ich weiß nicht … Sie haben es eilig, wegzukommen von einem so dämlichen Frauenzimmer wie mir, was?«
    »Um elf habe ich eine Vorlesung in Chirurgie. Ich kann mir ein Schwänzen nicht leisten. Ich bin ein hungriger Student, wissen Sie, ich muß arbeiten, ich habe keine Eltern, die dreißig Semester bezahlen können, und ich habe auch kein Stipendium, auf dem ich mich ausruhen kann. Für mich zahlt keiner Entwicklungshilfe.« Er beugte sich über den Tisch und griff nach den feingliedrigen Händen des Mädchens. »Aber wir sehen uns wieder, bitte … Ich heiße Kehat Yonatan …«
    »Mein Gott –«, sagte das Mädchen. Ihre bronzene Haut wurde einen Ton bleicher. In ihren großen runden Augen tauchte Erschrecken auf. »Wo kommen Sie her?«
    »Aus Tel Aviv. Aber geboren bin ich in Kerem Schalom, einem großen Kibbuz an der Grenze zur Sinai. Ich muß Ihnen mal erklären, was das ist, ein Kibbuz …«
    »Ich weiß es.« Das Mädchen sah an ihm vorbei zu den blauen Schwimmbecken. Ihr schmales Gesicht war wieder wie aus dem Stein der Negev geschnitzt. »Sie sind Jude …«
    »Israeli … Das klingt in Deutschland besser als Jude. Im Deutschen hat das Wort Jude einen brandigen Geschmack. Mein Vater ist Professor in Tel Aviv. Physiker. Früher – als er noch in Deutschland wohnte – hieß er Johnen, heute Yonatan. Ein Assimilierungsprozeß.« Er schwieg, weil das Mädchen den Kopf abwandte und ihre Finger sich um das Geländer der Terrasse krallten. »Stört es Sie, daß ich ein Israeli bin?«
    »Ich heiße Amana Murad
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