Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebe auf dem Pulverfaß

Liebe auf dem Pulverfaß

Titel: Liebe auf dem Pulverfaß
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Öffentlichkeit leben können. Sie müssen für immer verschwunden bleiben … lebende Tote …« Amina schloß die Augen und hielt still, als Kehat ihr das tränenüberströmte Gesicht abwischte. »Wo sollen wir hin, Kehat?« fragte sie dabei.
    »Zurück in die Schweiz.«
    »Warum?«
    »Irgendwann wird mein Vater eine Nachricht geben … und die Schweizer Zeitungen sind so objektiv und neutral, diese Nachricht zu bringen. Darauf werde und muß ich warten …«
    »Man wird nie mehr etwas von ihnen hören«, sagte sie ganz leise. »Nie mehr. Kehat … wir haben keine Väter mehr. Unsere Liebe hat sie aufgefressen …«
    Eng aneinandergedrückt, wie zwei sich fürchtende, frierende Kinder, saßen sie im abgeschlossenen Büro des Capitano, bis der Polizeipräsident von Palermo sie persönlich abholte. Er küßte Amina galant die Hand und klopfte Kehat auf die Schulter.
    »Ich habe eine völlige Nachrichtensperre verhängt«, sagte er. »Niemand – außer dem Capitano – weiß, wer Sie sind. Wo darf ich Sie hinbringen?«
    »In die Schweiz«, sagte Kehat.
    »Was wollen Sie denn da?«
    »Warten.«
    »Sie wollen nicht nach Israel?«
    »Nein. Wir wollen endlich raus aus dem politischen Strudel. Wir wollen normale Menschen sein. Zwei Menschen, die sich lieben … ist das so schwer?«
    »Bei diesen Eltern – ja.« Der Polizeipräsident von Palermo lächelte höflich. »Mein Wagen wartet hinter der Flughafenwache. Darf ich bitten? In die Schweiz …«
    Er fand den Gedanken plötzlich vorzüglich. Die ungeheure Verantwortung fiel von ihm ab … man konnte die Hände schütteln, als habe man gerade zwei heiße Kartoffeln weggeworfen.
    Es gab im Augenblick nichts Explosiveres als die Familien Yonatan und Murad …
    Drei Monate verbargen sich Kehat und Amina wieder in der Schweiz. Zuerst in einem kleinen Dorf im Wallis, dann im Menschenheer von Zürich. Sie nahmen jede Arbeit an … zuletzt schleppte Kehat jeden Morgen um vier Uhr Gemüse- und Obstkisten in der Züricher Markthalle herum. Dafür gab es gute Franken, man konnte bescheiden in einem kleinen Zimmer unterm Dach leben … aber man lebte.
    Und jede Woche sparte Kehat soviel Franken zusammen, daß er eine Anzeige in drei Zeitungen einsetzen konnte. Dumme Anzeigen, die niemand verstand und deren Wortlaut nur Professor Yonatan verstehen würde, denn man hatte damals ausgemacht, daß man sich in Zeiten der Gefahr auf diese Art verständigen und suchen könne. Weder Oberst Halevi noch Major Liman wußten davon, und selbst der Alleswisser und Immerahner Jossele Birnstein tappte diesmal im dunkeln und achtete nicht auf die wöchentlich wiederkehrende Anzeige.
    Sie lautete:
    »Apfelsinen sind Vertrauenssache, weil man nicht durch die Schale blicken kann. Fragen Sie den Fachmann.«
    »Sie leben nicht mehr«, sagte Amina am Beginn des vierten Monats ihres Wartens. »Kehat, sie leben nicht mehr. Vielleicht war alles ganz anders … vielleicht haben sie sich gegenseitig umgebracht, und nur die Politiker lassen sie verschwinden –«
    »Vielleicht.« Kehat wurde selbst unsicher. »Ein halbes Jahr halte ich durch, Amina. Wenn mein Vater noch lebt, wird er einmal diese Anzeigen lesen. Wir haben ausgemacht, daß das unsere ständige geheime Verbindung ist.«
    Nach vierzehn Wochen brachte die Post einen Brief der ›Züricher Zeitung‹ mit einem Schreiben, das auf die Chiffreanzeige eingegangen war. Amina weckte Kehat – er hatte bis sieben Uhr Kisten geschleppt.
    »Ein Brief, Liebling«, sagte sie. Ihre Stimme schwankte. »Von der Zeitung. O Allah, ein Brief …«
    Mit zitternden Fingern riß Kehat den Umschlag auf.
    Es waren nur wenige Zeilen, mit der Schreibmaschine und in deutscher Sprache.
    »Mein lieber Junge. Wir wohnen ganz in der Nähe, in St. Gallen. Frage nach Herrn Freuenberger, Tischlermeister aus Lörrach. Pension ›Silberner Engel‹. Uns geht es gut –«
    Amina schloß die Augen. Dann riß sie plötzlich den Brief aus Kehats Hand, drückte ihn gegen die Stirn, warf sich auf dem Boden in die Knie, wandte sich nach Osten und verbeugte sich tief.
    »Allah –«, sagte sie leise. »Allah, ich danke dir …«
    Dann betete sie, und Kehat ging in eine andere Ecke des kleinen Zimmers, holte aus einer Schublade ein kleines, schwarzes, rundes Käppi, setzte es auf und hielt ebenfalls Zwiesprache mit seinem Gott.
    Es war, als sei der Himmel offen und alle Wunder flössen in die kleine Dachkammer.
    »St. Gallen –«, sagte Kehat später. »Ich miete sofort einen Wagen. In
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher