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Liebe auf dem Pulverfaß

Liebe auf dem Pulverfaß

Titel: Liebe auf dem Pulverfaß
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gerade ein Praktikum auf der Unfallstation –«
    Er beugte sich über das Mädchen. Ihre Lider waren verschlossen, zitterten leicht, der Atem ging flach. Er fühlte den Puls, legte das Ohr auf ihre Brust, lauschte auf den flatternden Herzschlag und richtete sich dann wieder auf.
    »Na?« fragte der Bademeister. »Soll'n wir 'nen Krankenwagen bestellen?«
    »Nicht nötig. Sie hat ungeheueres Glück gehabt. Sie muß im letzten Moment weggetaucht sein und hat so den Zusammenprall gemindert. Sie wird gleich aufwachen.«
    »Man sollte ihr den schönen Popo verhauen«, sagte einer der Männer. »So viel Dämlichkeit auf einmal! Man schwimmt doch nicht unterm Sprungturm her, ohne nach oben zu blicken!«
    »Und Sie?« Der Bademeister sah auf die schiefgezogenen Lippen Kehats. »Alles in Ordnung?«
    »In der Schulter. Aber halb so schlimm.« Kehat versuchte wieder sein klägliches Lächeln. »Wenn ich bei jeder Prellung schreien würde, liefe ich nur noch als Sirene durch die Gegend …«
    Die Männer lachten. Der Bann des ersten Erschreckens war gebrochen. Sie gingen auseinander, sprangen ins Becken, tauchten, kraulten davon. Der Bademeister zögerte noch und blickte auf den langgestreckten Körper in dem Mohnblumentrikot.
    »Ich kümmere mich um sie«, sagte Kehat. »Machen Sie bloß keinen Rummel, Meister … es ist ja noch alles gutgegangen …« Er setzte sich neben das Mädchen, nahm ihren Kopf in seinen Schoß und strich ihr die nassen Haare aus dem Gesicht. Es war ein schönes, schmales Gesicht, das an südliche Sonne und Orangenhaine erinnerte, an Palmen und schlanke Zypressen, weiße, im Sonnenglast schwimmende Häuser und einen heißen Wind, der aus dem unendlichen Himmel fällt. Sie muß dunkle, ganz dunkle, ja schwarze Augen haben, dachte Kehat. Ihre Haut hat einen ganz leichten Bronzeton … sie erinnerte ihn an die Felsen in der Negev, die in der Abendsonne diesen Kupferton annahmen, bevor die Wüste sich fast violett färbte und die stille Einsamkeit zu leuchten begann in wunderbaren, sich miteinander vermischenden Farben.
    Er streichelte ihr Gesicht, hielt ihren Kopf fest, betrachtete ihren jungen Körper, die langen Beine, rehhaft schlank, die kleinen, spitzen Brüste und den Leib, durch den jetzt ein Zittern lief. Gleich wacht sie auf, dachte er. Das Bewußtsein signalisiert schon wieder. Der gespeicherte Schreck kehrt zurück.
    Er umfaßte fester ihren Kopf und beugte sich über ihn. Im gleichen Moment schlug sie die Augen auf … sie sind schwarz, dachte er, schwärzer geht es nicht mehr … ihr Mund klaffte auseinander, sie wollte etwas sagen, aber ihre Kehle war noch vom Schock blockiert. Statt dessen griff sie zu, riß an Kehats Armen und zog sie von ihrem Kopf, als wolle er sie erwürgen. Ihre Kraft war erstaunlich, und als Kehat sie losließ, wälzte sie sich mit einem Schwung zur Seite und rollte von ihm weg. Dann setzte sie sich und ballte die Fäuste.
    »Sie Idiot!« sagte sie mühsam.
    »Guten Tag!« antwortete Kehat.
    »Warum müssen Sie gerade springen, wenn ich unten vorbeischwimme?«
    »Warum müssen Sie schwimmen, wenn ich springe? Wo kamen Sie überhaupt her? Als ich absprang, war das Becken leer.«
    »Ich paddelte unter dem Turm. So etwas Idiotisches! Ich hätte tot sein können!«
    »Wir beide.«
    »Ihre Schuld!« Sie blitzte ihn an. Ihre schwarzen Augen waren zu glühenden Kohlen geworden. Das schmale Gesicht hatte seine Weichheit verloren – es war kantig und von einer Wildheit, die Kehat faszinierte. Ein Engel und ein Satan, dachte er … sie ist ein vollkommenes Weib, verdammt noch mal!
    »Wir wollen nicht über Schuld oder Leichtsinn sprechen«, sagte er und bewegte leicht die rechte Schulter. Der Schmerz kehrte zurück. Ich werde mit Alkohol und einer elastischen Binde herumlaufen müssen, dachte er. Zwei Wochen kein Schwimmen mehr … und das bei dreißig Grad im Schatten. Aber ich habe sie kennengelernt … das Mädchen mit den Kohlenaugen und dem Bronzekörper. »Wenn man es genau betrachtet, sind wir verwandt.«
    »Ach nein!« Das Mädchen schob die Unterlippe vor.
    »Theoretisch sind wir beide tot. Aber wir leben, und das ist eine gemeinsame Wiedergeburt. Wenn das keine Verwandtschaft ist –«
    »Sie sind Philosoph?« sagte das Mädchen mit einem Unterton von Spott.
    »Nein. Mediziner.«
    »Ach so. Sie sammeln auf diese Art Ihre Patienten?«
    »Noch nicht. Ich durchlaufe gerade meine klinischen Semester.«
    Sie sahen sich an, begannen plötzlich gleichzeitig zu lachen und
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