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Liebe auf dem Pulverfaß

Liebe auf dem Pulverfaß

Titel: Liebe auf dem Pulverfaß
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Safar Murad seine Vorbereitungen zur Flucht abgeschlossen. Sie mußte in dieser Nacht stattfinden, die Zeit lief ihnen davon.
    Am Abend hatte Dr. Habbasch sie besucht. Er hatte mit Yonatan keine zehn Worte gewechselt, dafür aber mit Murad um so mehr. Es war kein Gespräch unter Freunden mehr, es war eine ideologische Auseinandersetzung zwischen einem Fanatiker und einem Enttäuschten. Plötzlich erkannten beide, welche Welten zwischen ihnen lagen. Sie sprachen zwar die gleiche Sprache, aber sie meinten etwas völlig anderes.
    »Sie haben sich von uns losgesagt, Safar«, sagte Habbasch steif. Er konnte so kalt sein wie ein Eisblock. »Ich habe Ihnen von Anfang an mißtraut. Sie waren in allem zu liberal. Gut – Ihr Sohn kämpft an den Golanhöhen, Sie haben für Palästina viel geleistet, aber alles nur auf dem Fundament ethischer Überlegungen. Mit Ethos aber ist dieser Kampf um Palästina nicht zu gewinnen, nur mit Gewalt, mit Blut und Tränen! Es ist ein Kampf, in den die ganze Welt hineingezogen wird. Unsere arabische Sache muß die Sache aller Menschen werden! Wir haben den Schlüssel zu allen Herzen und Hirnen: das Erdöl! Ohne uns Araber wird die Welt wieder aussehen wie vor hundert Jahren. Die gesamte Weltwirtschaft wird zusammenbrechen. Das ist unsere Atombombe, wirksamer als alle anderen Bomben zusammen! Wenn wir die Ölhähne zudrehen, ist die Welt am Ende!«
    »Sie sind verrückt, Habbasch –«, sagte Murad leise. Er wußte, daß Habbasch recht hatte, und er wußte auch, daß seine arabischen Brüder das Öl als Druckmittel gegen alle Menschen einsetzen würden. »Die Folgen werden auch wir spüren.«
    »Kaum. Wir brauchen keine Fernsehgeräte und Luxuswagen, keine Modeanzüge oder aus den Fugen berstende Kaufhäuser. Wir brauchen eine Handvoll Datteln, Kamelmilch und etwas Mais, Weizen oder Hirse. Damit haben wir Jahrtausende überlebt. Aber die durch unser Öl hochgezüchtete Zivilisation wird verrecken. Elend verrecken! Ich weiß, das ist nicht Ihr Stil, Safar.«
    »Nein. Durchaus nicht.«
    »Wie wir das lösen, werden wir morgen früh in einer Sitzung durchdiskutieren. Sie sollten sich eine gute Rede einfallen lassen, Safar –«
    Dr. Murad gab sich keinen Illusionen hin. Als Dr. Habbasch gegangen war, sagte er zu dem schweigsamen Yonatan:
    »Fühlen Sie sich stark genug … heute nacht?«
    »Immer, Safar. Mehr als alles verlieren, können wir nicht. Und das ist kein Verlust mehr – denn wir haben ja bereits alles verloren.«
    Ab drei Uhr morgens waren sie fluchtbereit. Safar hatte noch einmal Aminas Zeichnung studiert. Der Weg zum Keller war einfach, man brauchte nur den Gang entlang und durch die große Eingangshalle. Nur –
    »Jetzt!« sagte Murad gegen vier Uhr. Im Hause schlief alles, nur eine Wache ging müde in der Halle hin und her. Draußen allerdings pendelten die Posten an der Mauer entlang und schnüffelten die Schäferhunde durch den Park. »Wenn wir die Wache lautlos narkotisieren können, haben wir fast schon gewonnen.«
    »Bis auf die elektronische Sperre, Safar. Die macht mir Kummer.«
    »Ich werde Allah anflehen, Moshe.«
    »Gut. Aber ich habe noch keinen Gott gesehen, der elektrische Schalter betätigt. Meiner tut's nicht. Ob Allah sich da auskennt in der Technik?«
    »Ihre Ruhe ist nervenzerreibend, Moshe.« Safar Murad drückte leise die Tür auf. Eingeschlossen hatte man sie nicht, wo sollten sie schon hin? Überall standen Wächter. Die Villa war sicher wie eine Festung. »Können Sie sich lautlos bewegen?«
    »Warum nicht? Sie vergessen, daß unser Christus sogar über ein Meer wandeln konnte –«
    Sie verließen das Zimmer und schlichen den Gang hinunter zur Eingangshalle. Der schwerbewaffnete Posten saß auf einem Stuhl, die MP auf den Knien, das Kinn auf die Brust gedrückt, und machte ein Nickerchen. Safar lächelte verzerrt. Er schraubte die Chloroform-Flasche auf, tränkte einen dicken Watteballen mit dem süßlichen Mittel und gab die Flasche an Moshe weiter. Der drückte sofort den Kunststoffverschluß in den Flaschenhals.
    Mit einem schnellen Griff riß Murad den Kopf des Postens an den Haaren nach hinten. Jeder Mensch öffnet dabei den Mund, um einen Schrei zu tun, und dieses Aufreißen der Lippen war genau das, was Murad brauchte. Er drückte den Wattebausch auf das zuckende Gesicht, und nach vier kräftigen Atemzügen erschlaffte der Körper. Das alles geschah völlig lautlos, weil Yonatan sofort die wegrutschende MP ergriff, bevor sie auf den Boden
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