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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer
Autoren: Hans Ernst
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Plötzlich griff er nach ihrer rechten Hand, betrachtete sie flüchtig und ließ sie wieder sinken. Ein befreiender Atemzug hob seine Brust. »Jetzt hab ich schon gemeint, du wärst verheiratet mit dem Ruderer. Schon wieder so eine Dummheit von mir. Wenn man auch nichts mehr redet von dir in Blockstein, aber wenn du geheiratet hättest, das hätte sich doch herumgesprochen.«
    »Wahrscheinlich«, antwortete sie. »Ich hätte ja doch nach Blockstein schreiben müssen wegen der Papiere. Dir hätte es doch nichts ausgemacht?«
    Er schluckte und tat, als habe er ihre Frage nicht gehört. »Dann bist du also hier – «
    »Bloß die Magd«, fiel sie ihm ins Wort.
    »Hat das so sein müssen?«
    »Ja, Thomas. Lieber noch bei fremden Leuten arbeiten, als daheim im Goldenen Grund.«
    Nachdem auch sie seine rechte Hand genau angesehen hatte, sah sie an seiner Schulter vorbei zum Stubenfenster hin und in das Gesicht des Ruderers hinter den Scheiben hinein.
    »Ich hab schon gehört, dass der Matthias nicht ganz recht an dir gehandelt hat.«
    Anna lachte bitter auf. »Nur ein Lump kann seine Schwester so behandeln. Aber Glück wird es ihm auch nicht bringen. Wenn du mir einen Gefallen tun willst, Thomas, dann sag niemanden, dass ich hier bin.«
    »Kennst du mich als Ratschen?«
    »Nein, entschuldige, Thomas. Aber ich muss jetzt an meine Arbeit gehen. Behüt dich Gott, Thomas.«
    Sie reichte ihm die Hand, und ehe er sie festhalten konnte, eilte sie dem Stall zu, in dem die Kühe schon unruhig an den Ketten zerrten, weil Futterzeit war.
    In dieser Nacht lag Anna wieder einmal lange wach. Die unvermutete Begegnung mit dem Thomas hatte sie doch tiefer berührt, als sie sich eingestehen wollte. Sein plötzliches Auftauchen hatte die unbeschwerten Kinder- und Jugendjahre aus der Erinnerung hervorgezerrt und auch die Zeit, in der sie diesen Thomas Staffner doch recht gern gehabt hatte. Die Gewissheit, dass auch er noch nicht verheiratet war, erfüllte sie mit einer Freude, die wie Sonnenleuchten nach langen Nebeltagen war.
    Aber nun wusste er ja, dass sie nur eine Magd bei einem fremden Bauern war. Eine der vielen hundert Mägde, die in dieser weiten Hügellandschaft arbeiteten. Sie war abgestiegen, Thomas aber hatte sich aufgeschwungen zu einem Unternehmer, der weithin bekannt war, ein Holzfachmann, der über den Daumennagel hin einen Holzeinschlag auf das Maß beurteilte und die Preise mitbestimmte mit denen, die noch größere Unternehmer waren als er.
    Das wusste sie vom Ruderer, der ihn »Herr Staffner« und den »Holzkönig von Blockstein« nannte. Vom Ruderer erfuhr sie aber auch, dass Thomas Staffner einer von den wenigen Ehrlichen war, die nicht versuchten, einen Bauern übers Ohr zu hauen, der sogar ein gewichtiges Wort in den großen Bauernversammlungen sprach, weil ihm der neue Reichtum nicht in den Kopf gestiegen und er im Grunde seines Wesens Bauer geblieben war, wenn er auch seine Landwirtschaft verpachtet hatte.
    Anna Rauscher kam in dieser Nacht zu der Erkenntnis, dass man ihn eigentlich bewundern müsse. Und sie wusste nicht, dass gerade sie die Ursache zu seiner Wandlung geworden war. In der immer gleich bleibenden Sehnsucht nach ihr war ihm endlich der Wille erwachsen, das Minderwertigkeitsgefühl von sich abzuschütteln und jemand zu werden, dessen Namen man mit Achtung nannte.
    An einem Freitag hatten sie sich wieder gesehen.
    Am Sonntagnachmittag, als der Ruderer sich gerade anschickte ins Dorf zu gehen, fuhr draußen ein Wagen vor. Ein schneller Blick aus dem Fenster genügte, dann sagte er mit einem merkwürdigen Seufzer: »Jetzt kommt der heut schon wieder.«
    Die Bäuerin legte die »Stadt Gottes« weg, in der sie gerade gelesen hatte, und fragte: »Wer kommt?«
    »Der Holzkönig von Blockstein.«
    Anna, die gerade ein Paar Fäustlinge auf der Innenfläche mit Lederresten besetzte, hatte sofort geahnt, wer käme, als sie das Brummen des Motors den Hügel heraufkommen hörte. Um ihren Mund breitete sich ein weiches Lächeln.
    Da betrat Thomas auch schon die Stube. Annas Augen weiteten sich vor Überraschung. Thomas sah beinahe elegant aus. Er trug zwar einen Anzug von bäuerlichem Schnitt, aber aus teuerstem Stoff. Und die Ungezwungenheit, mit der er zuerst der Bäuerin, dann ihr und dann erst dem Bauern die Hand reichte!
    Er setzte sich neben Anna auf die Ofenbank, als wäre das schon immer so gewesen.
    »Die Anna wird euch ja schon gesagt haben, dass wir uns von Jugend an kennen.«
    »Eigentlich hat sie uns
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