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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer
Autoren: Hans Ernst
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das nicht gesagt«, antwortete der Ruderer.
    »Nicht? Das wundert mich.« Er legte seine Kunsthand auf das kleine Tischchen, die andere auf Annas Schulter. »Aber es ist doch so, Anna, nicht wahr?«
    Sie nickte nur und konnte sich nicht genug wundern.
    »Und weil das so ist, darum möcht ich heute die Anna ganz gern einmal abholen zu einer Tasse Kaffee oder so.«
    »Kaffee können wir auch kochen«, warf der Ruderer hurtig ein.
    Und wieder war Anna aufs Höchste verwundert, denn Thomas sagte mit der Ruhe eines Menschen, der von seiner Meinung um keinen Finger breit abweichen durfte:
    »Ja, das glaub ich schon. Aber ich möcht ja mit der Anna allein sein.«
    »Ach so«, sagte die Ruderin, sie schaltete schneller als ihr Mann und meinte in völlig harmloser Art, die durchaus nicht so harmlos war: »Dann könntet ihr ja das Margretl mitnehmen. Die hat noch nie in einem Auto gesessen.«
    Anna sah, wie sich die Nasenflügel des »Herrn Thomas Staffner« ein wenig hochzogen. Aber sie konnte den Vorschlag nicht gut ablehnen, zumal sie dem Mädchen die Freude herzlich gönnte.
    Eine Viertelstunde später war sie wegbereit, und als sie aus dem Hof fuhren, sagte der Ruderer zu seiner Bäuerin:
    »Der freut mich. Jetzt, mein ich, haben wir die Anna die längste Zeit gehabt.«
    Weil in Friedham kein Café war, wie Thomas es sich wünschte, fuhren sie bis in die nächste Kleinstadt. Thomas ertrug die kleine Margret geduldig, zumal er Kinder sehr gern mochte, und dachte, immer können sie uns das kleine Plappermaul nicht aufhängen, das zwischen Sahne und Eis stets noch etwas zu fragen hatte.
    Und darin täuschte er sich auch nicht.
    Thomas kam nun jeden Sonntag. Manchmal fuhr er gar nicht bis Aich und wartete unten bei der Wegkreuzung auf Anna. Sie fuhren einmal dahin und einmal dorthin. Thomas entwickelte eine Beredsamkeit, die sie an ihm noch nie erlebt hatte. Doch bei allem, was er auch sprach, niemals erwähnte er den Namen Oliver. Ganz langsam holte er das nach, was er früher versäumt hatte und warb mit einer scheuen Leidenschaft, aber doch unmissverständlich um Annas Herz. Ein feuriger Liebhaber war er auch jetzt nicht, aber Anna fühlte sich bei ihm geborgen und mochte ihn von einem zum anderen Mal lieber.
    An einem Sonntag nun, als es schon auf Ostern zuging und die Palmkätzchen überall prangten, schlug Thomas eine andere Richtung ein. Anna sagte zunächst noch nichts, aber ihr Herz begann in einem hetzenden Rhythmus zu schlagen, als sie merkte, wohin er fuhr. Sie betrachtete seine Hand, die ganz ruhig auf dem Steuer lag. Bis sie sich nicht mehr beherrschen konnte und ihre Hand auf die seine legte.
    »Das hättest du mir vorher sagen sollen, Thomas.«
    »Warum, Anna? Meine Leute wissen, dass du kommst.«
    Ganz weinerlich war ihr zumute, als sie sich Blockstein näherten. Ihr Blick suchte den Goldenen Grund und die alte Bitterkeit wollte wieder in ihr aufsteigen, als sie die neuen Gebäude auf dem Hof sah. Gewaltsam wandte sie ihren Blick ab zum Kirchenhügel hinauf, von wo damals so verheißungsvoll das Licht zum andern Ufer geleuchtet hatte als Zeichen, dass sie nun frei sei und keine Angst mehr zu haben brauche um ihre Liebe zu Oliver.
    Oliver, dachte sie wehmütig, wo wird er sein? Ob er noch an das dumme Bauernmädchen in Bayern dachte, das ihm das Leben gerettet hatte? Sein Bild verschwamm wie im Nebel, aber in ihrem Herzen klang leise und wehmütig die Erinnerung an jene Tage und vielleicht verlor dieses Läuten niemals seinen heimlichen Klang und blieb für den Rest ihres Lebens als leise Sehnsucht.
    Ja, Thomas hatte seinen Eltern gesagt, dass er Anna bringen würde. Aber bevor sie die neu geteerte Straße zum Sägewerk einbogen, legte Anna zum zweiten Mal ihre Hand auf die seine.
    »Halt einmal an, Thomas. Das kann doch nicht – «
    Ein groß angelegtes Werk mit weit gedehnten Gebäuden. Dazwischen mächtige Holzgatter und haushohe Bretterstapel. Eine steinerne Brücke führte über die Riss und am anderen Ufer stand ein schneeweißes Haus, zu dem ein breit angelegter Kiesweg führte, der mit Fliederbüschen gesäumt war.
    Thomas lächelte ein wenig und legte seinen gesunden Arm zum ersten Mal wieder um Annas Schultern.
    »Ja, Anna, das alles – wartet auf dich. Geht es denn immer noch nicht?«
    Da stieß Annas Stirn aufschluchzend an seine Schulter. »Thomas, du darfst nicht schlecht denken von mir.«
    »Was denn, was denn?«, stammelte er hilflos.
    »Was die anderen über mich denken, tut mir nicht weh.
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