Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer
Autoren: Hans Ernst
Vom Netzwerk:
Grund, der nichts an Wert verlor.
    Nein, das konnte und durfte nicht sein. Und im Vertrauen darauf, dass sich die Gerechtigkeit durchsetzen würde, schlief sie schließlich ein. Aber nach einer einzigen Stunde unruhigen Schlafes war es Tag und die Sorge stieg mit ihm wieder ins Riesenhafte. So quälte sie sich einige Zeit dahin, sprach kaum ein Wort, geschweige, dass sie noch lachte.
    Das fiel schließlich auch dem Ruderer auf, und als er in der Küche seine Pfeife mit einer Hühnerfeder sauber machte, fragte er seine Frau: »Ist dir noch nichts aufgefallen, Berta? Die Anna ist seit ein paar Tagen so merkwürdig.«
    »Doch, es ist mir aufgefallen«, antwortete die Ruderin, und sah ihren Mann scharf an: »Hast du vielleicht was Unrechtes gesagt zu ihr?«
    Sofort fiel ihm seine Aussprache mit Anna ein. »Ich? Was dir nicht einfällt. Überhaupt kein unrechtes Wort hab ich gesagt.«
    »Dann wird es am besten sein, du fragst sie, was sie hat. Vielleicht ist sie ja krank und will es nicht sagen.«
    Dazu kam der Ruderer aber nicht, denn Anna fragte ihn von selber. Er stand gerade im Schuppen und hantierte an der Werkbank. Verblüfft schaute er auf, als Anna plötzlich vor ihm stand.
    »Ich möcht dich was fragen, Bauer.«
    Er nahm ein Eisenstück aus dem Schraubstock und legte es beiseite.
    »Ja, was ist denn, Anna?«
    »Wie schaut es eigentlich jetzt mit unserem Geld aus, Bauer?«
    Der Ruderer hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Wenn ich das wüsst, Anna! Hast vielleicht recht viel?«
    »Mein Erbteil halt. Es liegt auf der Sparkasse. Dreißigtausend Mark sind es.«
    »In Friedenszeiten war das viel Geld«, meinte der Ruderer. »Da wärst du eine begehrte Partie gewesen. Das heißt, das bist du heut genauso.«
    »Viel Geld in Friedenszeiten. Und heut, Bauer? Ich hab nachgerechnet, stimmt es, dass ich heut dafür höchstens dreihundert Schachteln Amizigaretten krieg?«
    Der Ruderer schaute zu den Dachsparren hinauf, die von Spinnwebhäuten verhangen waren. Dann nickte er. »Das wird ungefähr stimmen. Aber du rauchst ja nicht.«
    »Nein, freilich nicht, aber ich begreife allmählich, dass ich um mein Erbteil betrogen worden bin.«
    »Da kann man jetzt noch gar nichts sagen, Anna, bevor nicht die Umstellung kommt. Und kommen muss sie ja.«
    »Und wie die Umstellung auch sein wird, Grund und Boden werden immer ihren Wert behalten.«
    Der Ruderer sah sie mit seinen hellen Augen lange und nachdenklich an. Irgendwie freute es ihn, dass sie so vertrauensvoll zu ihm kam, und sie tat ihm ein wenig Leid.
    »Siehst, Anna, du hast uns zwar nie viel erzählt von dir daheim. Aber soweit ich die Dinge überschauen kann, wäre es besser gewesen, dein Vater hätte dir ein Waldstück vererbt oder ein paar Baugrundstücke. Einen bleibenden Wert. Alles andere wankt und wird bald einmal zusammenbrechen. Kürzlich hätte ich einmal für zwei Kühe das haben können, was dein ganzes Erbe ausmacht. Aber was nützt mir das viele Geld, wenn ich dafür nichts kaufen kann.«
    Anna lehnte sich an das Schuppentor. Ihr war auf einmal schwarz vor den Augen geworden.
    »Was hast, Anna?«
    Sie schlug die Augen wieder auf und sah in die seinen hinein.
    Sein Blick war ruhig und hell und doch teilnehmend. Nichts mehr von dem unruhigen Flimmern, das sie auch einmal darin gesehen hatte.
    »Jetzt weiß ich auch, warum es dem Matthias so pressiert hat, dass ich mein Erbteil bekomme. Förmlich in die Hand gedrückt hat er mir den Federhalter, dass ich schnell unterschreib.«
    »Das war ein Fehler. Obwohl – er hätte das Geld dann wahrscheinlich beim Amtsgericht hinterlegt. Die  Ausgeschmierte bist du auf alle Fälle. Der Matthias? Ist das dein Bruder?«
    »Bis heut gewesen. Jetzt hab ich keinen Bruder mehr.«
    »Nun, verzweifeln brauchst nicht gleich«, meinte der Ruderer. »Warten wir ab, was kommt. Wird nicht gleich wieder so werden, dass das ganze Geld hin ist.«
    »Und – wenn ich dich um einen Rat fragen darf – «
    »Aber bitt schön, Anna, wenn ich dir helfen kann?«
    »Sollt ich mein Geld bei der Bank abheben und dafür etwas kaufen?«
    Er überlegte lange und wollte ihr gewiss nach besten Kräften behilflich sein. »Das möcht ich dir nicht raten, Anna. Was kannst dafür heut schon kaufen? Es müsst was Wertbeständiges sein. Aber wer gibt so was ab?«
    Da senkte Anna tief, ganz tief den Kopf. Tränen wollten aufsteigen, aber sie drängte sie gewaltsam zurück. Ihre Stimme klang wie erloschen: »Jetzt hab ich begriffen. Mein Erbteil ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher