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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer
Autoren: Hans Ernst
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dich vorstellen kann. Dein Oliver.«
    »So ein verliebter Gockel«, grinste Matthias, zerriss den Brief in kleine Stücke und schob die Fetzen in den Küchenherd.
    »Engel«, spöttelte die Cilli kichernd. Dann schlug sie das Ofentürchen zu, schaute auf die Uhr und sagte: »In einer halben Stunde können wir essen.«
     
    Nie in ihrem Leben hatte Anna gedacht, dass sie sich jemals damit abfinden könnte, bei fremden Leuten als Magd zu arbeiten. Nun aber, da sie schon ein halbes Jahr auf dem Rudererhof war, hatte sie sich wunderbar eingelebt, und immer seltener sprang das Heimweh sie an.
    Vor kurzem hatte die Bäuerin einen Sohn geboren und die Gretl schloss sich jetzt noch mehr an Anna an. Sie schlief auch bei ihr in der Kammer, dem Ruderer war das ganz recht so, denn er hatte schon daran gedacht, ob er nicht neue und festere Eisenstangen an Annas Schlafzimmerfenster anbringen lassen sollte.
    Der Sohn des Mühlenbesitzers Mutzier war nicht der einzige, der mit undurchsichtigem Vorwand an einem Sonntagnachmittag auf dem Hof erschien, der so frei auf seiner Höhe lag, dass man einen herrlichen Blick hatte in die Ebene hinaus und nach Süden bis hin zu den Bergen. Wenn Anna sonntags zur Kirche ging, starrten viele Burschen dieser fremden, schönen Frau nach.
    Alle aber, die auf den Rudererhof kamen oder in der Dämmerung um ihn herumschlichen, mussten erleben, dass sie keine Chancen hatten bei dieser herb schönen Magd, die doch wohl nur der Hochmut so eisig ablehnend sein ließ, wie es einer Magd eigentlich nicht zukam.
    Nein, es war keiner dabei, der auch nur ganz leicht Annas Herz hätte bewegen können. Was sie brauchte, das wäre ein wirklich guter Freund gewesen, bei dem sie sich alles vom Herzen hätte sprechen können.
    Aber wo gab es diesen Freund? Wo gab es überhaupt einen Menschen, bei dem sie Verständnis erwarten könnte für all das, mit dem sie nicht fertig wurde? Sie schrieb der alten Burgl, weil diese ihr als eine Verbündete erschien. Aber die alte Frau ging in ihren Antwortbriefen auf bestimmte Punkte einfach nicht ein. Sie teilte nur mit, dass im Goldenen Grund die junge Bäuerin mehr Maklerin als Bäuerin sei, eine Großmaklerin, die nun in Ziegelsteinen, Zement und Dachplatten mache, die sie wieder in Perserteppiche und Ölgemälde verwandle. Sie sei eine solch emsige Händlerin, dass sie anscheinend keine Zeit fände, Kinder zu kriegen. Sie steckte aber mit ihrem schwunghaften Handel auch andere an. Der Thomas Staffner zum Beispiel habe die alte Säge niedergerissen, um ein ganz modernes Werk hinzustellen. Die Emma ziehe in gleicher Spur und habe nun eine noch größere Waschmaschine, eine Bügelmaschine und auch einen Mann, den Hausknecht von den »Vier Aposteln« nämlich, den sie ernähren müsse, weil er, um noch fauler leben zu können als bisher, mit der Emma die Eheringe getauscht habe.
    Lauter Neuigkeiten aus der Welt ihrer Kindheit! Aber kein Wort von Oliver Pratt.
    Die Alte glaubte wohl auch nicht mehr, dass Oliver je einmal wiederkäme. Aber Anna wollte die Hoffnung einfach nicht aufgeben.
    Die Amerikaner waren längst aus den Dörfern abgezogen. Nur hin und wieder verirrte sich ein Jeep in diese Hügellandschaft. Ein Major kam vielleicht zur Jagd oder es durchstreiften übungsmäßig ein paar Jeeps die Gegend. Aber jedes Mal, wenn Anna so ein Fahrzeug mit dem großen Stern auftauchen sah, gab es ihr einen Stich ins Herz, und sie wurde hinterher sehr traurig, weil sie jedes Mal gehofft hatte, Oliver säße in einem der Fahrzeuge und käme zu ihr.
    So gingen die Wochen dahin und der Sommer war hier anders als die Sommer, die Anna bisher erlebt hatte. Es gab keinen Almfrieden hier und keine Herdenglocken, die den Grund erfüllten, keine besinnlichen Abende, an denen sie auf der Hüttenschwelle sitzen konnte, während langsam der Mond über die Berge heraufstieg.
    Dafür gab es hier weite Roggenschläge und goldene Weizenfelder, die schön waren, solange sie in der Reife standen, die aber dem Menschen viel abverlangten, sobald der erste Sensenschnitt in sie hineinrauschte. Daheim hatten sie nur einen kleinen Streifen als Roggenfeld gehabt, der in zwei Stunden abgemäht war. Und darum bekam Anna hier die Plage des Erntens mehr zu spüren als andere. Hier dauerte das Ernten eine ganze lange Woche, während unbarmherzig die Sonne niederbrannte, die keine einzige, mitleidige Wolke unter sich dulden wollte, die ihr Glühen wenigstens für ein paar Minuten gemildert hätte.
    Die Arbeit
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