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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer
Autoren: Hans Ernst
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Vielleicht zu spät. Aber es ging beim besten Willen nicht früher.«
    »Ich habe nie ein Lebenszeichen von dir erhalten.«
    »Auch das hat mir die Burgl erzählt. Man hat dir meine Briefe unterschlagen. Auch Zigaretten, die ich dir einmal geschickt habe.«
    Über Annas Gesicht flog eine flammende Röte des Zornes. »Ich weiß auch, wer das getan haben kann.«
    »Nicht aufregen, Anna. Dafür ist es jetzt zu spät. Wir
    können nichts mehr rückgängig machen. Das heißt, du. Ich bin bis heute noch nicht verheiratet.«
    Unwillkürlich griff ihre Hand nach dem Anhänger an ihrem Hals, als wolle sie ihm zeigen, dass sie ihn immer noch trage. Er hatte es aber längst gesehen und hob seine Hand ans Licht, damit auch sie sehe, dass er den Ring noch trage, in den er den zweiten Teil des Splitters hatte fassen lassen.
    »Ich bin eigentlich nur gekommen, Anna, weil ich es von dir selber hören will. Sag mir ganz ehrlich, Anna: Bist du glücklich geworden?«
    »Ja, Oliver, ich bin sehr glücklich geworden. Aber ich habe auch lange auf dich gewartet.«
    Sie sah ihn an und merkte, dass ihr Herz ganz ruhig blieb. Nur eine tiefe und ehrliche Freude bewegte sie. Dass sie ihn noch einmal sehen konnte, war ihr wie ein überraschendes Geschenk. Sie war froh über sein Kommen, denn damit bewies er, dass er sie nicht vergessen hatte. »Ich habe zwei Kinder«, sagte sie dann.
    »Weiß ich, Anna. Die Burgl hat mir alles erzählt. Auch was du meinetwegen alles auf dich hast nehmen müssen. Es lag wirklich nicht an mir, Anna, dass ich nicht früher kommen konnte. Dann wäre sicher alles anders geworden, denn ich habe dich im Herzen behalten, Anna, die ganze, lange Zeit. Wir sind ein Opfer der Zeit und der Umstände geworden. Wenn sie mich damals nicht gleich an die Pazifikfront verlegt hätten, vielleicht hätte ich dann doch einmal zu dir kommen können. Aber warum sich heute noch darüber den Kopf zerbrechen? Es ist zu spät.«
    »Ja, zu spät, Oliver. Für uns beide zu spät. Es war ein schöner Traum mit uns beiden – so wollen wir’s denken. Und nun ist er ausgeträumt. Willst du nicht Platz nehmen, Oliver?«
    »Danke, Anna. Ich möchte nicht länger bleiben. Deine Kinder wollte ich zwar sehr gerne sehen. Ich habe mir erlaubt, etwas Spielzeug mitzubringen. Leider gibt es in diesem Nest nichts Vernünftiges. Meinst du, dass es deinen Mann stören wird? Dann verschenke es halt an andere Kinder. Auch an die Burgl habe ich gedacht. Sie sagte zwar, sie wisse nicht, was sie mit den fünfhundert Dollar anfangen soll. Vielleicht bist du ihr ein wenig behilflich, wie sie sie verwenden soll. Sie sagte etwas von einem schönen Grabstein, den sie einmal haben will. Vielleicht kannst du sie umstimmen?«
    Anna schüttelte lächelnd den Kopf. »Die kann man nicht mehr ändern, Oliver. Wenn das möglich wäre, ich hätte sie längst zu mir genommen. Aber sie will ja aus ihrem Wald nicht mehr heraus.« Sie hob eine Hand und nahm eine Blütenfaser von seinem Rockaufschlag weg. »Die Burgl wird dir auch gesagt haben, dass ich einen sehr guten Mann habe, der mir wirklich keine Vorhaltungen macht. Du kannst über Mittag gerne bleiben.«
    Wehmütig schüttelte er den Kopf. »Es könnte doch niemals mehr so sein wie damals, als du mich gerettet hast…« Er machte eine Pause. »Wenn ich dir Blumen geben darf?«, fragte er dann. »Ich habe alles noch draußen im Wagen, weil ich ja nicht hab wissen können, ob man mir nicht die Tür weist.«
    »Das hast du wirklich gedacht, Oliver?«
    »Ich habe damit gerechnet.« Er streckte ihr die Hand hin. »Lass mich jetzt gehen, Anna.«
    Sie ergriff mit beiden Händen seine Hand. »Sehen wir uns jemals wieder, Oliver?«
    »Ich weiß es nicht. Aber wenn ich dir schreiben darf?«
    »Schreib mir, Oliver, und denk daran, dass ich mich auch darüber freue, wenn du ein Mädchen findest, das dich von Herzen liebt.«
    Sein Mund wurde für einen Augenblick ganz schmal, als zerdrückte er einen inneren Schmerz. »Ich werde keine mehr so lieben können wie dich.« Er fuhr sich flüchtig mit der Hand über die Augen. »Alles Glück der Erde für dich, Anna. Du verdienst es. Und – leb – wohl…«
    Er sah, dass es in ihren Augen feucht schimmerte und nahm ihr Gesicht in seine Hände.
    »Nicht weinen, Engel. Das steht dir nicht, und du musst tapfer sein, so tapfer, wie du damals warst.«
    Er küsste sie auf die Stirn und wandte sich ab.
    Sie begleitete ihn hinaus und nahm die Blumen in Empfang, einen herrlichen Strauß Orchideen.
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