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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer
Autoren: Hans Ernst
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Bloß von dir könnte ich es jetzt nicht mehr ertragen.«
    »Anna – wenn du so redest –, dann liegt dir doch etwas an mir.«
    »Merkst du denn das jetzt erst, Thomas? Ich weiß, du bist ein guter Mensch. Du müsstest nur Geduld haben mit mir. Viel Geduld.«
    »War ich schon jemals ungeduldig?«
    Nach dem Kaffee führte er sie durch sein Werk. In der Sonntagsstille wirkten die weiten Hallen ein wenig gespenstisch, das Sägewerk selber mit den acht Gattern, die Trockenhalle, die Sperrholzhalle, die Büroräume und alles, was es zu sehen gab. Anna stockte fast der Atem von all dem Großen, das er in so kurzer Zeit geschaffen hatte. Im Büro des Ingenieurs, durch dessen großes Fenster man auf die Riss hinaussah und auf die Berge im Hintergrund, tat Thomas Staffner, scheu und ängstlich wie ein Knabe, die entscheidende Frage:
    »Meinst du nicht, Anna, dass wir alles, was hinter uns liegt, vergessen sollten, um ein Leben miteinander zu beginnen?«
    Anna lächelte ein verlorenes Lächeln. Um ihren Mund zuckte es wie unter einem Anprall schwerer Erinnerungen. Dann sah sie ihn nachdenklich an: »Wenn du es vergessen kannst, Thomas, was zwischen uns gekommen ist, dann – ja.«
    Der Holzkönig aber, statt jauchzend sein Glück in die Arme zu nehmen, lehnte nur seine Stirn gegen das Fensterglas. So sah er auch nicht die Träne in Annas weit aufgerissenen Augen, kam erst zu sich, als er Annas Wange warm an der seinen spürte. Da riss er sie an sich. »Anna – oh, so ein Glück. So ein Glück.« Danach gingen sie Hand in Hand wieder hinüber ins Haus.
    Die Hochzeit wurde mit allem Prunk gefeiert. Wochenlang vorher waren schon die Einladungen verschickt worden. Nur in den Goldenen Grund war keine gegangen. Hier blieb Anna unerbittlich und Thomas fügte sich gern ihrem Willen.
    Am Hochzeitsmorgen horchte Anna noch einmal ganz tief in sich hinein. Einst hatte sie ihrem Vater gesagt: »Ich werde Thomas heiraten, wenn du es willst, aber Oliver im Herzen behalten…«
    Heute war es so weit, dass sie über diesen Ausspruch lächeln konnte. Thomas hatte mit seiner stillen, unaufdringlichen Geduld das Bild des anderen verblassen lassen. Nie erinnerte er sie an jene Zeit und verlor selbst am Hochzeitsmorgen kein Wort darüber, dass sie auch heute diesen merkwürdigen, in Gold gefassten Granatsplitter um ihren Hals trug.
    »Er ist mein Talisman«, hatte sie zu ihm gesagt. »Er hat mir Glück gebracht, indem ich dich wieder finden durfte, und er wird weiterhin wie ein Glücksstern über meinem und deinem Leben stehen.«
    Auch die Ruderers kamen zur Hochzeit, ausgesöhnt dadurch, dass Thomas Staffner ihnen als Ersatz eine gute Magd auf den Hof gebracht hatte.
    Das Dröhnen der Blechmusik, die den Hochzeitszug zur Kirche geleitete, schwang in seinem Echo bis in den Goldenen Grund. Ärgerlich warf die Cilli das Küchenfenster zu und geiferte:
    »Froh wird sie sein, dass sie nun doch noch unter die Haube kommt. Aber dass sie uns nicht zur Hochzeit geladen hat, werde ich ihr nie vergessen.«
    Matthias sagte nichts dazu. Ihm war an diesem Morgen gar nicht recht wohl zumute. Und während die Kirchenglocken läuteten, kam es ihm vielleicht zum Bewusstsein, dass er an der Schwester nicht recht gehandelt hatte. Vielleicht war es aber auch nur gekränkter Ehrgeiz, weil diesem groß gewordenen Holzkönig der Bauer im Goldenen Grund gar nichts bedeutete, obwohl er sein Schwager wurde.
    »Wer weiß, ob das gerade ein recht großes Glück wird«, orakelte die Cilli.
    »Halt jetzt einmal deinen Mund«, wies Matthias sie zurecht, obwohl er wusste, dass er sich später bei ihr wieder entschuldigen musste, weil diese immer noch birkenschlanke Frau ihn vollends beherrschte und sich von ihm bestimmt nicht den Mund verbieten ließ.
    »Hoffentlich kommt das mit den Zigaretten nicht auf«, sagte die Cilli nach eine Weile.
    Er schaute sie unsicher an. »Das wäre saudumm. Wissen sollte er es halt, dass sie geheiratet hat, dann schreibt er vielleicht nicht mehr.«
    Die Cilli lachte und zog ihn vom Fenster weg. »Ges tern hab ich ihm geschrieben«, gestand sie. »Hab ich ja müssen«, fügte sie hinzu. »Am End tät es ihm tatsäch lich noch einfallen, dass er noch mal rüberkommt. Dann sitzen wir in der Tinte.«
    Jawohl, die Cilli hatte an Oliver Pratt geschrieben, dass ihre liebe Schwägerin Anna Rauscher mit dem Thomas Staffner Hochzeit gehalten und nun eine glück liche Frau sei.
    Sie gab den Brief nicht in Blockstein auf, sondern fuhr damit in die
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