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Versprechen eines Sommers

Versprechen eines Sommers

Titel: Versprechen eines Sommers
Autoren: Susan Wiggs
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PROLOG
    O livia Bellamy konnte sich nicht entscheiden, was schlimmer war. Auf der Spitze des Fahnenmastes gefangen zu sein, ohne Hilfe in Sicht, oder mit Hilfe in Form eines Hells Angels im Anmarsch.
    Ihr Plan, das erste Mal seit zehn Jahren die Flaggen über Camp Kioga zu hissen, war ihr so einfach vorgekommen. Dann war das Seil von der Rolle gerutscht, aber Olivia hatte sich davon nicht aufhalten lassen. Sie hatte die Aluminiumleiter gegen den Mast gelehnt und war bis ganz nach oben geklettert, nur um dort festzustellen, dass sie den Haken nicht erreichen konnte. Das kleine Stück den Mast hinaufzuklettern konnte ja nicht so schwer sein, hatte sie sich gesagt – bis sie dann aus Versehen mit einem Fuß die Leiter umgestoßen hatte.
    Dumme Kuh, schimpfte sie sich und klammerte sich mit aller Kraft an den Fahnenmast. Der Weg nach unten war weit, und das hier war nicht gerade die Rutschstange einer Feuerwache. Der galvanisierte Stahl war alt und rostig, und wenn sie daran herunterrutschte, würde sie sich die Haut an Oberschenkeln und Händen aufreißen.
    Sie hatte gerade angefangen, sich ganz langsam in Richtung Boden vorzutasten, als von der Straße her das tiefe Dröhnen eines ungedämpften Auspuffs herüberschallte. Sie war so überrascht, dass sie beinahe ihren Griff gelockert hätte. Instinktiv klammerte sie sich fester an den Fahnenmast und schloss die Augen. Geh weg, dachte sie. Wer auch immer du bist, ich kann mich gerade nicht mit dir beschäftigen.
    Das Motorengeräusch wurde lauter, und sie öffnete ihre Augen. Der Eindringling entpuppte sich als Motorradfahrer in schwarzer Lederkluft. Sein Gesicht wurde von einem bedrohlich aussehenden Helm und einer Sonnenbrille verdeckt. Hinter dem in schwarzem Lack und Chrom gehaltenen Motorrad erhob sich eine Staubwolke in die Luft.
    Was hab ich nur wieder für ein Glück, dachte Olivia. Hier stecke ich mitten im Niemandsland, und der Easy Rider eilt zu meiner Rettung.
    Ihre Arme und Schultern fingen unter der ungewohnten Anstrengung an, zu zittern. So viel zu den vielen Stunden Krafttraining im Fitnesscenter.
    Der Motorradfahrer hielt am Fuß des Fahnenmastes an, stieg ab und stellte sein Motorrad auf den Ständer. Dann lehnte er sich zurück, um zu ihr hochzuschauen.
    Trotz der widrigen Umstände machte sich Olivia Gedanken, wie ihr Po wohl von da unten aussah. So wie sie aufgewachsen war – als Kind, das sich mit Essen tröstete und sich dadurch in der Schule eine ganze Reihe von wenig schmeichelhaften Spottnamen verdient hatte –, war sie nie ganz darüber hinweggekommen, sich Gedanken über ihre Figur zu machen.
    Bleib ganz cool, sprach sie sich Mut zu. Laut sagte sie: „Hey.“
    „Hey. Wie steht’s?“ Auch wenn sie sein Gesicht nicht sehen konnte, vermeinte Olivia ein Grinsen in seiner Stimme zu hören. Sicher war sie sich, als er hinzufügte: „Okay, tut mir leid. Das konnte ich mir nicht verkneifen.“
    Großartig. Ein Klugscheißer.
    Sie musste ihm zugutehalten, dass er sie nicht lange leiden ließ. Er nahm die Leiter und lehnte sie gegen den Fahnenmast. „Machen Sie langsam“, sagte er. „Ich halte hier unten fest.“
    Inzwischen schwitzte Olivia schon. Sie hatte das Ende ihrer Ausdauer erreicht. Langsam ließ sie sich Zentimeter für Zentimeter herunter, während ihre Shorts Zentimeter für Zentimeter hochkrabbelten. Sie hoffte, dass er es nicht bemerkte.
    „Sie haben es gleich geschafft“, rief der Fremde. „Nur noch ein kleines bisschen.“
    Je weiter sie nach unten kam, desto weniger klang er wie ein Fremder. Als sie endlich mit einem Fuß die oberste Sprosse der Leiter erreichte, hatte sie eine ganz fürchterliche Ahnung, um wen es sich bei dem Typen handelte. Sie war seit Jahren nicht mal mehr in der Nähe dieses Ortes gewesen, in diesem Camp, wo sie sowohl ihre wildesten Träume als auch ihre schlimmsten Albträume gefunden hatte. Heutzutage kannte sie doch niemanden mehr hier in der einsamen Wildnis nahe den Bergen … oder doch?
    Mit beinahe an Hysterie grenzender Neurotik konnte sie nicht aufhören, daran zu denken, dass sie heute Morgen nichts mit ihren Haaren gemacht hatte. Außerdem trug sie nicht ein Fitzelchen Make-up. Sie konnte sich noch nicht einmal daran erinnern, ob sie sich die Zähne geputzt hatte. Und die abgeschnittenen Jeans, die sie trug, waren definitiv zu kurz. Ganz zu schweigen von dem viel zu engen Tanktop.
    Mit jedem Schritt, den sie die Leiter herunterkletterte, wurde die Gewissheit stärker, dass am Ende eine
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