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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer
Autoren: Hans Ernst
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Fälle war es recht schön. Soweit ich mich erinnern kann, hab ich mit dir irgendwo auf einer Bank gesessen – ich hab den Arm um dich gehabt und du hast dein liebes Köpfchen so vertrauensvoll an mich hingelehnt.« Plötzlich fasste er nach ihren Händen und hielt sie fest. »Schau, Emma, du bist ein armes Luder, und – was bin denn ich schon recht viel mehr? Könnten wir zwei denn nicht zusammenhalten?«
    Das Mädchen zog mit einem Ruck die Hände zurück. »Arm bin ich, ja, aber Charakter hab ich. Und das kann man von dir leider nicht sagen.«
    Er biss sich auf die Lippen. »Du kennst mich eben nicht, wie ich wirklich bin.«
    »Ja, du bist undurchsichtig.« Sie sagte es ganz trocken und lachte plötzlich laut. »Heut früh hat dir’s eine wenigstens richtig gesagt. Ich hätt mich kranklachen können dabei.«
    Nur mit großer Mühe bezwang er seinen aufsteigenden Zorn und brachte es fertig, eine ergebene Duldermiene aufzusetzen. »Sie verkennen mich halt alle. Dabei mag ich die Anna wirklich gern. Zwar nicht so gern wie dich, aber sie war mir bisher nicht unsympathisch. – Arbeitest du eigentlich immer beim Grundhofer?«
    Emma schüttelte den Kopf. »Morgen soll ich zum Lechner hoch.«
    »So, so, zum Lechner. Aber beim Grundhofer ist doch ein gutes Arbeiten, oder?«
    »Ja, beim Grundhofer helf ich gern aus.«
    »Das Essen ist auch gut dort?«
    »Recht gut sogar.«
    »Fleisch ist halt überall wenig jetzt, weißt. Aber es kommen ja auch wieder bessere Zeiten, wenn wir den Krieg erst gewonnen haben.«
    Hier lachte Emma wieder, aber er überhörte es geflissentlich.
    »Die längste Zeit hat er ja schon gedauert«, sagte er.
    »Ja, das glaub ich auch. Die Amerikaner sind ja schon über den Rhein.«
    »Wer sagt dir denn das?«
    »Das hört man halt so.«
    »Ja, ja, ich weiß schon, das täten manche gern sehn. Aber da bleibt ihnen der Schnabel sauber. Kann ja sein, dass ein paar Männer rübergekommen sind übern Rhein. Er geht ja zur Zeit nicht recht hoch. Aber die werden schon bald wieder zurückgetrieben. Und wie. Unser Führer weiß schon, was er will.«
    »Wer?«
    »Unser Führer.«
    »Ach so, der.«
    »Brauchst gar nicht so spöttisch zu lachen. Aber dir nehm ich’s gar nicht übel, weil du ja geistig doch ein bissl beschränkt bist.«
    »Was bin ich?«, fragte Emma und man sah in ihren Augen den Zorn glimmen.
    »Nicht direkt, mein ich. Du weißt halt nicht, wie du dich ausdrücken musst.«
    »Das kann schon sein. Aber jetzt weiß ich wenigstens, für was du mich anschaust.«
    »Geh, nimm es doch nicht so wörtlich. Vorhin hab ich gemeint, wir zwei könnten uns ganz gut verstehn. Und wenn du dir’s genau überlegst – du hättest kein so schlechtes Leben bei mir, wenn der Krieg erst vorüber ist.«
    »Wenn der Krieg vorbei ist, musst du abhaun, weil sie dich sonst erschlagen.«
    Urban Loferer verfärbte sich. »Wer sagt denn das?«
    »Das hab ich schon ein paarmal gehört. Zum ersten Mal, als du von allen am eifrigsten nach der verschwundenen Glocke gesucht hast.«
    Loferer schlug nach einer Fliege an seiner Wange. »Weißt du vielleicht, wo sie ist?«
    Emma schüttelte den Kopf. »Und wenn ich’s wüsst, dir tät ich es am allerwenigsten sagen.« Sie drehte den Kopf nach dem Wecker. »Halb zehn ist es schon. Jetzt musst gehn, ich möcht mich schlafen legen.«
    Der Mann war mehr verdutzt als verärgert über ihre Art, wie sie ihn hinausbefördern wollte. Er lächelte. Als ob man ihn so einfach fortweisen könnte. Dieses Mädchen schien noch keinen Begriff davon zu haben, wie mächtig er war. Langsam stand er auf und schob sich zu ihr in die Bank, drückte sie bis in den Herrgottswinkel hinein, dass sie nicht mehr wegkonnte. Sein Gesicht war plötzlich wieder von jener Undurchsichtigkeit, die Angst einflößen konnte.
    »Wenn du das Gutsein nicht verstehst, kann ich auch anders mit dir reden. Also, raus mit der Sprach. Der Grundhofer hat doch gestern Nacht ein Schwein geschlachtet.«
    »Wie soll denn ich das wissen?«
    »Weil es heut zu Mittag dort Schweinernes mit Kraut gegeben hat.«
    »Das stimmt schon – aber«, platzte die Emma heraus und merkte sofort, dass sie in die Falle gegangen war. Sie wollte es noch etwas abschwächen und fügte hinzu: »Wahrscheinlich wird der Grundhofer einen Schlachtschein gehabt haben.«
    »Eben nicht. Ich hab bereits nachgefragt auf der Gemeindekanzlei.«
    Da wurden die Augen der Emma ganz schmal vor Verachtung. »Du bist doch ein ganz gemeiner Hund.«
    Der Loferer
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