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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer
Autoren: Hans Ernst
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zwirbelte sein Bärtchen. »Von dir nehm ich es hin, weil von dir sogar Frechheiten sich recht nett anhören. Wenn du mit der Zunge anstößt, das gefällt mir so gut, dass ich dir am liebsten ein Bussl geben möcht.«
    Und schon hatte er den Arm um sie geschlungen. Er hatte nur nicht mit ihrer Behändigkeit gerechnet. Mit einem derben Stoß rückte sie den Tisch zurück und stand dann mitten in der Stube.
    »Meinst du, mir graust vor gar nichts!«
    Verwundert zog er die Augenbrauen hoch. »Grausen? Das ist bloß, bis du auf den Geschmack kommst. Ich wett, dass dich noch keiner richtig geküsst hat.«
    Das war die Wahrheit und Emma hätte es schrecklich gerne gewusst, ob das ein Erlebnis wäre. Aber diesen Schleicher küssen? Es schüttelte sie bei dem Gedanken. Sie selbst war gewiss keine Schönheit, aber sein Mund schreckte sie ab. Sein Mund und seine Augen.
    Sie sah ihn auf sich zukommen und wusste, was sie tun würde. Er traute ihr das bloß nicht zu. Die Emma, das war doch zum Lachen! Sie seufzte doch direkt nach einem Mann.
    »Stell dich doch nicht gar so blöd an«, sagte er und wollte sie an sich reißen.
    Da gab ihm Emma eine gestochene Ohrfeige auf die glattrasierte rechte Wange. Ihre Hand war arbeitsgewohnt, und es gab einen heftigen Knall und einen roten Fleck im Gesicht des Fleischbeschauers Urban Loferer.
    Zufrieden hob Emma die Hand noch einmal und drehte sich etwas zur Seite, um diesmal die andere Wange zu treffen. Aber er drehte sich schnell weg und ging zur Tür.
    »Blödes Ding«, knirschte er und warf die Tür hinter sich zu, dass der Mörtel über dem Türstock herunterbröckelte. Emma hörte voller Genugtuung seine sich entfernenden Schritte auf der Straße, schob den Riegel wieder vor und legte sich zu Bett.
    Beim Erwachen am anderen Morgen, einem von sehr schweren Träumen noch belasteten Erwachen, fiel es Emma sofort bleischwer aufs Herz, was gestern am Abend geschehen war. Sie hatte sich dummerweise verplappert, und so, wie sie den Schleicher kannte, würde er wahrscheinlich heute gleich zur Polizei gehen und verlangen, dass man beim Bauer im Goldenen Grund eine Hausdurchsuchung vornehme. Also musste er gewarnt werden.
     
    Draußen tagte es bereits und der Unteroffizier Felix Eichlmaier, der von den Landesschützen in Moosburg nach Blockstein abkommandiert war, um die gefangenen Franzosen zu bewachen, sperrte das Feuerhaus auf und ließ seine Schäflein heraus mit dem alltäglichen Morgengruß: »Auf geht’s, Buam!«
    Dreißig Mann unterstanden ihm, gefangene Franzosen, die er jeden Morgen um halb sechs Uhr vor dem Feuerhaus antreten und abzählen ließ.
    Eichlmaier war sonst die Gutmütigkeit selber, weich in seinem Gemüt und in seinen Bewegungen. Er spielte sich nur ein wenig auf, wie alle Menschen mit wenig Geist, wenn man ihnen Macht in die Hände legt. Aber seine Schäflein kannten ihn und nahmen ihn nicht ernst. Überdies, Ordnung musste sein. Das verlangen alle Unteroffiziere in der ganzen Welt.
    »Also, nachher packen wir’s halt wieder, in Gottes Namen«, brüllte er. »Stillgestanden! Wird’s bald oder dauert’s noch ein bissl? Nur sagen, wenn einer der Herren noch nicht ausgeschlafen hat.«
    Wenn das vorbei war, lächelte er zufrieden.
    »Also dann sind wir alle wieder gesund und munter beisammen. Ohne Tritt, marsch.«
    Als Eichlmaier sich mit seinem Karabiner an die Spitze setzte, weil er schon wusste, dass ihm von seinen »Buam« keiner abhaute, huschte ein Schatten über die Straße und drückte dem Jean einen Zettel in die Hand.
    »Gib ihn dem Grundhofbauern«, flüsterte Emma ihm zu. Dann verschwand sie wieder hinter dem mächtigen Misthaufen des Brandlhofes, ohne dass der Eichlmaier etwas gemerkt hatte.
    Immer, wenn ein Hof kam, zweigten einer oder zwei Franzosen ab, auf irgendeinen Bauernhof zu, auf dem sie arbeiteten. Zum Schluss waren es nur mehr der Jean und André, die in den Goldenen Grund mussten. Eichlmaier blieb beim Wegkreuz stehen und ließ die beiden den Rest des Weges allein zurücklegen. Das war zwar verboten, aber er kannte seine »Buam« und sie kannten ihn.
    Mittlerweile war die Sonne hinter den Bergen hochgestiegen. Eine etwas müde, wässrige Sonne, die zu keiner rechten Wärme kam, weil ein ruppiger Westwind durch das Tal strich.
    Im Geviert des Grundhofes stand der hohe Zweiräderkarren, voll bepackt mit Kisten und Körben. Mit läutender Glocke trottete gerade die Leitkuh aus dem Stall und hinter ihr drängten sich noch weitere vierzehn Kühe.
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