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Licht vom anderen Ufer

Licht vom anderen Ufer

Titel: Licht vom anderen Ufer
Autoren: Hans Ernst
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oberen Stockwerk noch der alte Flickschuster Haberl wohnte, der um diese Zeit noch in den »Vier Aposteln« saß.
    Urban Loferer rüttelte an der Zimmertür.
    »Mach doch auf, ich tu dir doch nichts«, sagte er mit betonter Freundlichkeit, aber doch so, als habe er ein Recht, eingelassen zu werden. »Brauchst doch keine Angst zu haben.«
    Die Emma schob den Riegel zurück. »Ich hab keine Angst.«
    »Das hoff ich auch nicht«, antwortete der Loferer und huschte in das Zimmer. Er legte seinen Lodenumhang, den er über der Schulter getragen hatte, über die Stuhllehne und rieb sich die Hände.
    »Nett hast es hier. Und so schön warm.«
    »Es ist draußen auch nicht kalt.«
    »Sag das nicht. Es geht ein ganz frischer Wind. Darf ich Platz nehmen?«
    »Hock dich nur nieder. Was willst du?«
    »Höhö, nur keinen so patzigen Ton. Das mag ich nicht. Immer schön freundlich sein zu mir.« Er nahm umständlich Platz und zündete sich eine Zigarette an. »Wirklich gemütlich hast du es hier.« Er sah sich in dem kleinen Raum um und nickte anerkennend. »Und alles blitzsauber. Das hätt ich dir gar nicht zugetraut.«
    Emma strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. Dann lehnte sie sich gegen die Kommode und verschränkte die Arme über der Brust.
    »Jetzt möcht ich wissen, was du von mir willst.«
    »Ich von dir?« Er sah sie mit strengem Ausdruck an. »Nichts! Obwohl, wenn du nicht dein Arbeitsgewand trägst, schaust du gar nicht so übel aus. Wirklich, du müsstest ein bissl mehr auf dich halten. Dann könnt’s leicht sein, dass ich Appetit bekäm.«
    Die Emma lachte laut heraus. Und dieses Lachen machte sie irgendwie schön. Sie bekam zwei Grübchen in die Wangen und ihre schwarzen Augen hatten einen seltsamen Glanz. Der Loferer bekam größere Augen und schluckte.
    »Tatsächlich, heut seh ich dich zum ersten Mal anders.«
    »Der Herr Schleicher hat mich halt noch nie richtig angeschaut.«
    Er runzelte die Stirn. »Loferer heiß ich, das bitt ich mir aus. Oder musst du auch die Dummheit der anderen nachplappern? Ich weiß schon, wer mir den Namen angehängt hat. Aber mit dem rechne ich schon noch ab.«
    »Dann musst mit dem ganzen Dorf abrechnen, weil es alle sagen.«
    Es blieb eine Weile still. Nur der Wecker tickte. Der Loferer war auf einmal nachdenklich geworden. Es war, als horche er in sich hinein und denke darüber nach, dass niemand ihn mochte. Sie taten ihm schön ins Gesicht, weil sie Angst vor ihm hatten. Allerdings auch nicht alle. Die Anna vom Goldenen Grund zum Beispiel. Oh, wie die Schmach noch immer an ihm brannte, die sie ihm heute Vormittag bei den Haselnussstauden angetan hatte. Und er konnte es ihr nicht heimzahlen. Wenigstens noch nicht.
    Achtlos klopfte er die Asche seiner Zigarette auf den Boden.
    »Ferkel«, sagte Emma mit sprödem Klang in der Stimme. »Siehst den Aschenbecher dort auf dem Tisch nicht?«
    Er lachte belustigt auf und musterte sie wieder mit staunenden Augen. »Teufel! Du gefällst mir immer besser. Ferkel sagt sie zu mir! Komm, setz dich her zu mir. Ich möcht dich was fragen.«
    Emma stieß sich von der Kommode ab und setzte sich ihm gegenüber auf die Bank, stemmte die Ellbogen auf den Tisch und legte den Kopf in die Fäuste. »Frag«, sagte sie hart.
    »Na, na! Musst du mich denn gleich anbellen wie ein Hund? Kann man mit dir überhaupt nicht vernünftig reden?«
    »Was kann von dir schon Vernünftiges kommen?«
    Loferer drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und lehnte sich weit in den Stuhl zurück. »Ich seh schon, du bist auch verhetzt. Und das ist schad, denn dich hab ich immer recht gut leiden können.«
    Emma sah ihn unentwegt an, so durchdringend, dass er seinen Blick senken musste. Seine letzten Worte ließen sie aufhorchen. Sie waren über sie hingegangen, wie im Frühling ein leiser Wind die jungen Ähren eines Kornfelds streichelt.
    »Ist das wahr, Loferer?«
    Loferer verbarg ein Lächeln und legte Kummer in seinen Blick. »Auf mein Wort, Emma. Du glaubst gar nicht, wie oft ich schon von dir geträumt hab.«
    »Wirklich?« In ihre Augen war eine scheue Neugier gekommen.
    Der Loferer, mit allen Wassern gewaschen, merkte sofort, dass seine Worte ein offenes Ohr fanden und strich sein Bärtchen. »Wenn ich es dir sag!«
    Die Emma rückte die Ellbogen weiter auf den Tisch. »Was hat dir denn geträumt, Loferer?«
    Tief schnaufend, beugte auch er sich weiter vor. Ihre Stirnen kamen sich ganz nahe.
    »Genau weiß ich’s auch nicht mehr«, log er. »Auf alle
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