Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen
Autoren: Susanna Kearsley
Vom Netzwerk:
neben mir stehen, den Koffer in der Hand. »Wir wussten
nicht, ob du dein altes Zimmer willst oder …«
    »Ja, bitte.« Ihre Aufmerksamkeit rührte mich.
    Er ließ mir den Vortritt. Die alte Treppe führte zu einem Absatz,
von dem aus sie in der Gegenrichtung zum ersten Stock ging. Die Stufen waren
aus Stein, ausgetreten von Generationen von Füßen, und die Wände rundherum mit
dem gleichen dunklen Mahagoni verkleidet wie die Türen unten, sodass ich beim
Hinaufsteigen das Gefühl hatte, in die Vergangenheit einzutauchen.
    Der erste Stock wirkte nicht ganz so antik wie das Erdgeschoss, weil
Teppiche die Böden bedeckten und dezent gestreifte Tapeten den Eindruck von
Lebendigkeit erzeugten. Einige der Möbel hier kannte ich nicht.
    Ich erinnerte mich, welche Tür zu dem Zimmer gehörte, das ich mit
Katrina geteilt hatte. Es befand sich in der hintersten Ecke der Vorderseite,
am nächsten bei der Straße, und hatte drei Fenster – zwei aufs Meer und eines
neben dem Kamin, von dem aus man die Auffahrt sah.
    Das Doppelbett, in dem Katrina und ich immer geschlafen hatten,
stand am selben Platz wie früher, das Kopfende an der westlichen Wand, das Fußende
gegenüber dem Kamin. Dass ich sechs Jahre jünger war als Katrina, hatte mich
zur Plage für sie gemacht, weil ich sie durch mein Geplapper vom Schlafen
abgehalten oder mehr von der Decke für mich beansprucht hatte, als mir zustand.
    Diese Erinnerungen ließen mich trotz meiner Trauer schmunzeln. Als
Mark hinter mich trat, sagte ich: »Ihr habt die Bilder umgehängt. Der alte Schäfer
und seine Frau.«
    »Ja, stimmt«, bestätigte er. »Ich glaube, sie sind jetzt im
Esszimmer.«
    »Gut. Ihre Augen waren mir unheimlich. Ich hatte den Eindruck, dass
ihre Blicke mich überallhin verfolgten.«
    Mark stellte den Koffer neben dem Bett ab und sah mich an. »Wie
geht’s dir wirklich?«
    »Gut. Danke.«
    »Das stimmt nicht.«
    »Es dauert seine Zeit, sagen alle.«
    »Wenn du jemanden zum Reden brauchst: Ich bin da.«
    »Ich weiß.«
    Er berührte kurz meine Schulter. »Du kennst das Haus. Fühl dich ganz
wie daheim.«
    »Danke.«
     
    Es gab drei Türen in diesem Zimmer. Trelowarth House war
eine richtige Schmugglerburg mit Türen, die nicht nur auf den Flur, sondern
auch von Zimmer zu Zimmer führten, was das Versteckspielen besonders
interessant gemacht hatte. Wie die Schmuggler der Vergangenheit vor den Männern
vom Zoll, hatten auch wir Kinder uns hier verborgen.
    Zusätzlich zur Haupttür auf den Korridor hatte dieser Raum eine in
der Wand zum Nachbarzimmer auf der Ostseite des Hauses, einem Raum, den Claire
als Nähzimmer genutzt und praktisch nie an Gäste vergeben hatte, weil oft Onkel
Georges Zigarrenrauch aus seinem Arbeitszimmer direkt darunter heraufgedrungen
war.
    Die dritte Tür befand sich in der Wand am Fußende des Bettes und
führte zu einem der kleineren Vorderzimmer, das früher, soweit ich mich erinnerte,
hauptsächlich als Lagerraum verwendet worden war.
    Ich setzte mich aufs Bett, sodass die Matratze leise ächzte, und sah
mich aus der Perspektive meiner Kindheit in dem Zimmer um. Es hatte sich in den
vergangenen zwanzig Jahren nicht wesentlich verändert. Die Wand war nach wie
vor meergrün, die Tagesdecke weiß und mit Fransen versehen, und die leichten
Spitzenvorhänge bauschten sich in der kühlen Maibrise, die durch das einen
Spalt offene Fenster hereinwehte. Auf dem Boden mit den breiten Dielen lag
zwischen dem zweitürigen Kleiderschrank an der Wand und dem kleinen Schaukelstuhl
vor dem Kamin ein alter Flickenteppich, und wie früher hing über der Kommode
zwischen den vorderen Fenstern der Spiegel mit dem weißen Rahmen.
    Morgens wurde es in diesem Zimmer früh hell, doch jetzt am späten
Nachmittag war es voller Schatten. Ich lehnte mich zurück, die Hände hinter dem
Kopf verschränkt.
    Eigentlich wollte ich mich nur einen Augenblick ausruhen, bevor ich
mich frisch machte und nach unten ging, aber in der vertrauten Umgebung wurde
ich müde und schlief ein.
     
    Einige Stunden später holte ein unruhiger Traum mich
zurück in die Realität, in das dunkle Haus. Ich schaltete die Lampe auf dem
Nachttischchen ein, warf einen Blick auf meine Uhr und stellte fest, dass es
fast Mitternacht war.
    »Verdammt.« Ich hatte gerade so lange geschlummert, dass ich nicht
mehr einschlafen würde, egal, wie sehr ich die Ruhe nach der langen Reise
gebraucht hätte.
    Ich zog mich aus, schlüpfte in meinen Pyjama und unter die Decke und
schaltete die Lampe
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher