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Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen
Autoren: Susanna Kearsley
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hüpfte. Sobald ich sie gestreichelt hatte, hörten sie auf, an mir
hochzuspringen, und verlegten sich auf heftiges Schwanzwedeln. Auf dem Weg zum
Haus liefen sie zwischen Marks und meinen Beinen hindurch.
    Vor dem Gebäude war am Hügel eine kleine Rasenterrasse angelegt,
umgeben von Hecken, die den Wind abhielten, und darunter erstreckten sich die
grünen Felder bis zum Rand der Klippen.
    Wie immer überraschte mich der erste Anblick des atemberaubend
schönen Meeres. Grüne Hügel mündeten in Täler, dunkle Wälder wurden hier und da
von hellen Schwarzdornblüten aufgelockert. In der Ferne erkannte ich den Hafen
von Polgelly mit den weißen Häusern und die Landspitzen zu beiden Seiten.
Dahinter erstreckte sich die blaue See, so weit das Auge reichte.
    Mark sah mich an. »Nicht wie in Kalifornien, was?«
    »Nein.« Dieses Meer erschien mir deutlich lebendiger als der
Pazifik. »Besser.«
    Da hörte ich hinter uns jemanden »Eva!« sagen und entdeckte eine
junge Frau in Jeans und rotem Pullover, die dunklen Haare kürzer geschnitten
als die von Mark. Das musste Susan sein. Sie hätte ich mit Sicherheit nicht
erkannt, wenn sie mir an einem anderen Ort begegnet wäre. Bei meinem letzten
Aufenthalt in Trelowarth musste sie sieben oder acht gewesen sein, jetzt war
sie Ende zwanzig, groß und schlank und begrüßte mich mit einem herzlichen
Lächeln. »Ich habe den Van gehört.« Sie umarmte mich. »Eva, du hast dich
überhaupt nicht verändert. Nicht mal dein Haar. Darum habe ich dich immer
beneidet. Meins würde ich nie so lang kriegen.«
    Ich persönlich hielt nicht allzu viel von meinem Haar. Weil es
meinem Vater lang gefallen hatte, hatte ich es immer so getragen. Intensive
Pflege erforderte es nicht, und wenn es mich störte, band ich es einfach
zurück.
    »Der kurze Schnitt steht dir«, bemerkte ich.
    »Gott sei Dank, denn eine andere Wahl bleibt mir nicht.« Sie strich
sich eine Strähne aus der Stirn. »Ich wollte es rot färben …«
    »Und es ist lila geworden«, ergänzte Mark.
    »Eher kastanienbraun«, korrigierte sie ihn. »Der Versuch, es besser
hinzukriegen, ist misslungen. Da habe ich es abgeschnitten.«
    »Selbst«, erklärte Mark.
    »Klar.«
    »So hätte ich das auch gekonnt«, meinte er. »Mit der Gartenschere.«
    Susan zuckte mit den Schultern. »Lasst den Koffer erst mal hier.
Claire sagt, ich soll euch gleich zum Cottage bringen, wenn ihr da seid. Sie
hat Sandwiches gemacht.«
    Mark stellte den Koffer ab und folgte Susan und den Hunden über den
grünen Hügel in Richtung Meer bis zu der Stelle, wo der alte, schmale Küstenpfad,
festgetreten von den Füßen zahlreicher Wanderer, in den »Wilden Wald«
verschwand.
    Diesen Namen hatte ich dem Wald in dem Sommer gegeben, in dem Claire
mir Kenneth Grahames zeitlos schöne Geschichten vom Maulwurf, der Wasserratte
und dem Kröterich vorlas. Ein Kapitel aus Der
Wind in den Weiden pro Abend, und ich konnte das Unterholz nicht
mehr betreten, ohne auf das Trippeln kleiner unsichtbarer Wesen zu lauschen und
die Magie dieses Orts zu spüren.
    Ich spürte sie noch immer, als ich Mark und Susan in die dunkle
Kühle nachging. Luft und Licht veränderten sich, und der feuchte, erdige Geruch
des alten Waldes, der sich bis zu den Klippen erstreckte, stieg mir in die
Nase. Die Bäume wuchsen so dicht, dass ich das Meer nicht mehr sehen konnte.
Ich bewegte mich in einem Kokon aus Ästen und Blättern – Esche, Holunder,
Schwarzdorn und Buche, dazu geisterhaft fahle Ahornstämme.
    Der Küstenpfad, der als schmaler Weg in den Wald führte, wurde ein
wenig breiter, sodass zwei Menschen nebeneinander gehen konnten, wo die
Schatten dunkel auf Farne und Unterholz fielen und die hohen Bäume zu flüstern
begannen, wenn der Wind die Blätter bewegte. Ich hatte in diesem von fröhlichem
Vogelgezwitscher erfüllten Wald nie Angst gehabt.
    »Wir haben sogar einen Dachs hier«, teilte Susan mir mit. »Claire
hat ihn gesehen.«
    Ich roch das Kohlenfeuer aus Claires Cottage-Kamin, bevor wir die
halbkreisförmige, mit Gras und Glockenblumen bewachsene Lichtung betraten, von
der aus sich erneut ein weiter Blick aufs Meer bot.
    Auf der Lichtung stand wie eh und je das kleine Cottage mit seinen
schlüsselblumengelben Mauern unter den durchhängenden Schieferdachziegeln.
    In meiner Kindheit hatten die Eigentümer von Trelowarth sich durch
die Vermietung des Cottage an Touristen ein Zubrot verdient. Im vergangenen
Jahr war Claire mit ihren Leinwänden und Farben dorthin umgezogen
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