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Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen
Autoren: Susanna Kearsley
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Ende der Strecke stand eine
blaue Bank an dem schmalen Bahnsteig mit dem weißen Streifen am Rand. An der
grünen Hügelflanke dahinter war eine Handvoll Häuser zu sehen.
    Drei Menschen warteten am Gleis, einen von ihnen hätte ich überall
erkannt.
    Bei unserer letzten Begegnung war Mark Hallett gerade achtzehn
gewesen und ich zehn, zu jung, um von ihm wahrgenommen zu werden, jedoch nicht
zu jung, um seine dunklen Haare und die lachenden Augen attraktiv zu finden.
Ich war immer in seiner Nähe gewesen, und er hatte es geduldig ertragen und mir
weder das Gefühl vermittelt, ihm lästig zu sein, noch war ihm meine Bewunderung
zu Kopf gestiegen.
    Katrina hatte ähnlich für ihn empfunden, doch es war mehr daraus
geworden. Er war ihr erster Freund, ihre erste große Liebe, gewesen, und als
wir am Ende des Sommers abreisten, hatte ich gesehen, wie sehr die Trennung sie
beide betrübte. Bald hatte sie sich von dem Schmerz erholt. Er vermutlich auch.
Zwanzig Jahre waren seitdem vergangen. Doch als ich nun aus dem Zug stieg und
Mark Hallett mich mit einem Lächeln begrüßte, fühlte ich mich wieder wie zehn.
    »Eva.« Seine Umarmung fühlte sich vertraut und gleichzeitig anders
an. Trotz seines kräftigen Körperbaus war er nicht sonderlich groß gewachsen.
Mein Kinn befand sich auf Höhe seiner Schulter; in meiner Erinnerung reichte
ich ihm kaum bis zur Brust.
    »Kein Problem mit den Zügen?«, erkundigte er sich.
    »Nein, alle pünktlich.«
    »Ein Wunder.« Er nahm mir den Koffer ab, ließ mir jedoch die
Umhängetasche, vermutlich, weil er ahnte, was sich darin befand.
    Der Bahnhof war so klein, dass es nicht einmal öffentliche Toiletten
gab, und der Parkplatz war nicht mehr als eine Kiesfläche mit einer Telefonzelle.
Marks Lieferwagen erkannte ich an dem Trelowarth-Roses-Logo an der Seite. Als
Mark meinen Blick sah, lächelte er verlegen. »Ich wäre mit dem anderen Wagen
gekommen, musste aber noch etwas in Bodmin ausliefern. Danach hatte ich keine
Zeit mehr, nach Hause zu fahren.«
    »Kein Problem.« Mir gefiel der Van, in dessen Innern es ganz ähnlich
roch wie in dem, den sein Vater früher gefahren hatte: nach feuchter Erde und
Pflanzen. Marks Hund, ein Mischling mit Schlappohren, zotteligem braunem Fell
und dünnem Schwanz, der ohne Unterlass wedelte, erwartete mich im Wagen. Als er
es sich auf meinem Schoß bequem machen wollte, schob Mark ihn sanft zurück.
    »Darf ich dir Samson vorstellen? Ein ganz Braver.«
    Sie hatten immer drei oder vier Hunde in Trelowarth gehabt, die mit
uns Kindern über die Felder tollten und mit ihren schmutzigen Pfoten durch die
alte Küche in den Garten liefen, sodass Marks Stiefmutter Claire ständig den
Fliesenboden wischen musste.
    Ich kraulte Samson hinter den Ohren und fragte Mark, wie es Claire
gehe, die sich ein Bein gebrochen hatte
    »Viel besser. Der Gips ist weg; sie humpelt schon wieder herum. Der
Arzt meint, ein paar Wochen noch, dann ist sie wieder ganz die Alte.«
    »Wie hat sie sich das Bein überhaupt gebrochen?«
    »Beim Säubern der Regenrinne.«
    »Natürlich«, sagte ich. Es überraschte mich nicht, dass sie auch
nach ihrem Umzug vom Herrenhaus ins Cottage sämtliche Arbeiten selbst
erledigte.
    »Gott sei Dank ist das Malheur unten in Bodennähe passiert und nicht
oben auf dem Dach«, sagte Mark und schob erneut Samson zurück, der versuchte,
sich zwischen uns zu drängen. Dann startete er den Motor und setzte zurück auf
die Straße.
    Die Küstenstraßen von Cornwall sind schmal und kurvig mit steilen
Böschungen und hohen Hecken, die den Blick auf das versperren, was vor einem
liegt. Mein Vater war sie immer in hoher Geschwindigkeit entlanggebraust und
hatte vor Kurven gehupt, darauf vertrauend, dass entgegenkommende Wagen
auswichen. Als ich ihn einmal fragte, was passieren würde, wenn der andere
Fahrer es genauso machte wie er, hatte Dad mit den Schultern gezuckt und mir
versichert, das würde nicht geschehen.
    Gott sei Dank hatte er recht behalten.
    »Wohnt Susan noch zu Hause?«, fragte ich Mark.
    »Ja.« Er verzog das Gesicht, wenig überzeugend, wie ich fand, denn
ich wusste, dass die beiden Geschwister sich nahestanden. »Fast wären wir sie
losgeworden, sie hat kurze Zeit in der Nähe von Bristol gewohnt. Aber jetzt ist
sie wieder da und will eine kleine Teestube oder so was Ähnliches aufmachen,
für Touristen. Unserer Susan gehen die Ideen nie aus.«
    »Du bist nicht begeistert davon?«
    »Sagen wir mal so: Ich glaube, es wird nicht allzu viele
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