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Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen
Autoren: Susanna Kearsley
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Koffer aus dem einundzwanzigsten
Jahrhundert stolpern, die sich den Platz mit einem alten blutverschmierten
Mantel, einem Banyan und zwei Gewändern aus dem achtzehnten Jahrhundert
teilten, und sich fragen, was es damit auf sich hatte. Ich wäre jede Wette
eingegangen, dass keine seiner Theorien der Wahrheit auch nur nahekam.
    Ich hörte kein Flüstern hinter den Wänden , als ich Claire die
Treppe hinunter, durch die helle Küche hindurch und zur hinteren Tür hinaus
folgte, die Hunde schwanzwedelnd im Schlepptau, bis sie zum Stall verschwanden.
    Ich ging mit Claire zu der Geißblattpflanze, die sich neben dem
Küchenfenster die Mauer hinaufrankte.
    »Bist du sicher, dass wir nicht zu spät dran sind?«, fragte ich
Claire.
    »Liebes, du kannst es nicht verpassen. Keine Sorge.«
    Natürlich hatte sie recht, denn während alles für mich noch in der
Zukunft lag, war es in Claires Zeit bereits geschehen und gehörte der
Vergangenheit an. Der Finger hatte schon geschrieben, was sich ereignen musste.
    Doch dieses Wissen minderte meine Nervosität nicht.
    »Ja, aber wann …?« Da hob einer der Hunde den Kopf und bellte. Auch
die anderen richteten die Schnauzen in Richtung Straße.
    Wie sie und Claire hörte ich Schritte auf dem Kiesweg.
    »Bald schon, glaube ich«, antwortete sie, bevor sie sich unserem
Besucher zuwandte. »Guten Abend, Oliver.«
    Und ich wusste, dass alles, was sie gesagt hatte, stimmte.
    »Hallo«, erwiderte Oliver ihren Gruß und wehrte die
herbeispringenden Hunde mit einer Hand ab. Mein Gewand kommentierte er lediglich
mit einem kurzen Nicken und einem fröhlichen »Hübsches Kleid«. »Ich dachte,
jetzt, da alle in Southport sind, könntet ihr
vielleicht Gesellschaft gebrauchen.«
    »Du hast Wein mitgebracht«, bemerkte Claire.
    Dies war der Abend, auf den sie so lange gewartet hatte – an dem sie
sich endlich offen mit dem Mann unterhalten konnte, der ihr Freund und Vertrauter
und bald Susans Ehemann werden sollte und den sie sechzig Jahre später
wiedertreffen würde, wenn er alt und sie jung wäre.
    Für sie wäre das dann ihre erste Begegnung, doch Oliver würde sie
bereits kennen. An dem Tag würde sie ins Pub gehen, er würde ihr das Cottage
anbieten und ihr die Geschichte von der grauen Frau erzählen, die er einmal mit
eigenen Augen hatte verschwinden sehen, hier in Trelowarth.
    Er würde ihr in jener Zeit ein ebenso guter Freund sein wie in
dieser. Es freute mich zu wissen, dass ich sie durch mein Verschwinden
zusammenbrachte.
    »Es ist sehr wichtig, jemanden zu haben, dem man sich anvertrauen
kann«, hatte Claire gesagt.
     
    Aber im Moment ahnte Oliver noch nicht, was gleich
geschehen würde.
    Er sah auf den Wein. »Ja, leider nur eine Flasche …«
    »Die reicht fürs Erste«, meinte Claire und nahm sie ihm aus der
Hand.
    Sie ergriff die Flasche gerade noch rechtzeitig, bevor meine
Umgebung sich zu verändern begann. Es herrschte Windstille, die Konturen
verschwammen, und das Geißblatt wurde grau.
    Aus den Augenwinkeln nahm ich eine Bewegung wahr, einen sich
nähernden Mann. Fast wäre er an mir vorbeigegangen. Es war Fergal. Ich sah sein
Lächeln, dann, wie er den Kopf leicht hob und etwas ins Haus rief.
    Olivers Stimme schien aus weiter Ferne zu kommen. »Mein Gott. Eva …«
    Claire beruhigte ihn. »Alles in Ordnung. Ihr fehlt nichts.«
    Da blitzte hinter mir etwas auf, und ich wandte mich um: das
einladende Licht der offenen Tür, in deren Schatten jemand stand.
    Daniel.
    Als ich ihn sah, wusste ich, dass ich mich nicht mehr fragen musste,
wohin ich gehörte. Mein Zuhause war hier. Wenn der Duke of Ormonde im Frühjahr
seine Pläne für den Aufstand im Westen Englands aufgäbe und neue schmiedete,
würde die Sally die Anker
lichten und in Richtung Süden segeln, vielleicht nach Spanien oder zu den Kanarischen
Inseln, wo niemand Anstoß an meinem Akzent nähme und Fergal sich ganz seiner
Vorliebe für Sherry hingeben und möglicherweise sogar eine Spanierin finden
könnte, die seinem Temperament entspräche und seiner scharfen Zunge gewachsen
wäre.
    Was machte es schon, dass unser Leben keine Spuren in Trelowarth hinterlassen würde? Dass der Pfad durch den Wald zu den
Klippen, wo die Sally ankerte, nicht länger benötigt würde. Dass der Wald unsere Fußabdrücke im Lauf
der Jahre überwuchern und sich niemand mehr an uns erinnern würde?
    Ich würde es wissen, und das genügte.
    Der Wind trug den rauchigen Geruch des Holzfeuers aus der Küche
heran.
    Ich blickte ein letztes
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