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Licht über den Klippen

Licht über den Klippen

Titel: Licht über den Klippen
Autoren: Susanna Kearsley
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Schatten wurden länger.
»Ich glaube, weil wir uns beide verloren fühlten, haben wir einander gefunden.
Wie finden sich Menschen?«
    Die Antwort darauf kannte ich nicht. Daniel war nach dem Verlust von
Ann einsam gewesen, und ich hatte Katrina vermisst. Wer von uns hatte wohl als
Erster über die Jahrhunderte hinweg nach dem anderen gerufen?
    Ich blickte seufzend auf die Sonnenuhr. »Es ist so schwierig. Was,
wenn ich nie mehr in seine Zeit zurückkehre? Was, wenn alles einfach aufhört
oder …«
    Ich musste an Fergal denken, der gemeint hatte, er wolle nichts über
seine Zukunft erfahren und auch andere Menschen sollten sich nicht dafür interessieren,
weil dieses Wissen eine Last sei. Wäre er hier gewesen, hätte ich ihm sagen
können, dass es manchmal eine ebenso große Last war, die Zukunft nicht zu
kennen.
    Das erklärte ich Claire. »Es ist so schwierig, nicht zu wissen, was
geschehen wird.«
    »Soll ich es dir verraten?«, fragte sie.

VIERZIG

    M r Rowe schob mir die
Formulare über den Tisch zu. »Wunderbar«, sagte ich, als ich sie gelesen hatte.
»Danke.«
    »Keine Ursache.« Er beobachtete, wie ich die Dokumente
unterzeichnete. »Und hier.« Er deutete auf ein Feld, das ich übersehen hatte.
»Sind Sie wirklich sicher? Es handelt sich um einen sehr hohen Betrag.«
    »Ganz sicher, Mr Rowe. Das Geld hat sowieso nie mir gehört, sondern
meiner Schwester. Sie hätte es so gewollt.«
    »Aber dieses Arrangement lässt Ihnen nichts für Ihren persönlichen
Bedarf«, gab er zu bedenken.
    »Ich habe andere Quellen.« Es war eine Lüge.
    Er nickte.
    Ich unterzeichnete das letzte Dokument. »Sonst muss ich nichts
machen?«
    »Nein. Von jetzt an kümmern wir uns um alles. Mr Hallett, seine
Schwester und ihre Erben können sicher sein, dass der Trelowarth-Trust gut
verwaltet wird; sie müssen nichts tun, als uns mitzuteilen, wie viel Geld sie
benötigen und wann.«
    »Und Sie erklären ihnen das? Sie sind heute in London und kommen am
Dienstag zurück.«
    »Dann setze ich mich am Mittwoch mit ihnen in Verbindung.«
    »Ich habe hier ein Schreiben für die beiden.« Ich nahm es aus meiner
Handtasche und reichte es ihm. »Könnten Sie es ihnen geben, wenn Sie sie
sehen?«
    »Natürlich.« Als ich mich erhob, stand er ebenfalls auf.
    Ich bedankte mich.
    Er schüttelte mir die Hand. »Es war mir ein Vergnügen.«
    »Mir auch.«
    Ich trat aus der Bank in den mittäglichen Sonnenschein. Die
allgemeine Stimmung in Polgelly hatte sich verändert, denn der Sommer neigte
sich seinem Ende zu. Verschwunden waren die unbeschwerten Paare und Familien;
jetzt drängten sich ruhelos Vergnügungssüchtige auf den Gehsteigen und in den
Geschäften.
    Wie immer saßen Leute mit Fish and Chips oder gestreiften
Papiertüten aus dem Fudge-Laden auf der Kaimauer, doch auch sie wirkten gehetzt
und sahen ständig auf die Uhr.
    Auch ich war zu spät dran, als ich mich zwischen den Menschen am
Hafen durchschob und die Tür des Wellington öffnete.
    Von außen wirkte das Pub alt und unansehnlich. Die weiß getünchten
Mauern standen ein wenig schief auf dem Fundament wie vermutlich bereits in den
Tagen, als es noch The Spaniard’s Rest hieß, Jack hier seinen Rum trank und Daniel zur Sicherheit die Pistole in
seinen Gürtel steckte, bevor er es betrat.
    Die weißen Stuckwände, die honigfarbenen Holztische und das helle
Licht, das durch die Fenster mit den kleinen Scheiben hereinfiel, überraschten
mich. Ich hatte erwartet, dass das Innere der Kneipe dunkel wäre wie in einer
Schmugglerhöhle. Oliver, der schon in einer der Nischen mit Blick auf den Hafen
saß, begrüßte mich mit einem Grinsen, als ich mich zu ihm gesellte.
    »So hast du dir’s hier offenbar nicht vorgestellt, was?«
    »Nein.«
    »Ich war auch enttäuscht, als Onkel Alf mich zu meinem ersten
legalen Bierchen ins Wellie eingeladen hat«, gestand er. »Nach all den Jahren, in denen wir Kinder davor
gewarnt worden waren, hatte ich Messerscharten an den Tischen und Strolche an
der Theke erwartet, aber leider konnte ich nirgends welche entdecken.« Er
leerte sein Glas, stand auf und fragte: »Was trinkst du?«
    Normalerweise hätte ich zum Lunch keinen Alkohol gewählt, doch dies
war kein normaler Tag. »Die kleine Größe von dem, was du nimmst, bitte.«
    Oliver ging zur Theke, während ich einen Blick in die Speisekarte
warf. Als er zurückkehrte, gab er mir mein Glas nicht gleich. »Was ist los?«,
erkundigte er sich.
    »Wie bitte?«
    »Zuerst rufst du mich an und lädst mich
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