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Leute, ich fuehle mich leicht

Titel: Leute, ich fuehle mich leicht
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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Zigaretten. Die unkonventionelleren Jungs tummeln sich da auch mit ihren Turnschuhen zwischen den Gebüschen rum - und ich würde sagen: Einige von denen sind Alkoholiker. Wirklich. Ich weiß, das klingt besorgniserregend. Ist es auch. Aber in der ersten großen Pause genehmigen sie sich schon ihr zweites Bierchen. Und dann noch eins. Dazu rauchen sie Kette und vergleichen ihre Sonnenbrillen. Um diese Typen sollte man sich sorgen - nicht um mich.
    Wie auch immer. Ich stiefle hinter Mama her, durch den Durchgang in die Küche und dann stehen wir wie zwei trottelige Hausfrauen nebeneinander an der Spüle und schälen Kartoffeln. Ich werde dieses Geräusch, das die geschälten Kartoffeln machen, wenn sie gelb und glänzend in das silberne Waschbecken fallen, mein Lebtag nicht mehr vergessen. Klong. Klong. Klong. Klong.
    Und dann kracht vorne die Haustür ins Schloss und meine Schwester brüllt durch den Flur: »Ist das Mittagessen fertig? Ich habe Hunger!«
    Ich muss es eigentlich nicht noch mal sagen, aber ich finde, Cotsch könnte sich wirklich mal etwas mehr in Mama hineinfühlen. Doch daraus wird nichts werden. In Hotpants und engem T-Shirt steht sie im Durchgang und wirft ihre blonden Locken zurück. Sie streckt die Brust raus und meint: »Heute hat tatsächlich einer von den Jungs aus meiner Klasse behauptet, Susanna hätte größere Brüste als ich. Findet ihr das auch?«

3
    A m Nachmittag, als die Sonne mein Zimmer mit goldenem Licht flutet, hängen Mama und meine Schwester mal wieder drüben in Cotschs Zimmer auf dem Bett rum und flennen sich gegenseitig die Ohren voll. Ich schätze, das Thema des Tages ist Cotschs geringe Oberweite. Wobei »gering« in diesem Fall als absolut relative Maßeinheit zu bewerten wäre. Weil ich gerade nicht weiß, was ich machen soll, gehe ich auch rüber, drücke die Klinke runter und stecke meinen Kopf durch den Türspalt.
    Bevor ich überhaupt was sagen kann, schüttelt Cotsch schon ihre Birne und meint: »Lelle, lass uns mal bitte allein.«
    Ich denke »Arsch-Kuh!« und ziehe die Tür wieder zu. Es ist jedes Mal das Gleiche: Immer wenn ich mich dazusetzen will, heißt es sofort: »Lelle lass uns mal allein.« Die beiden Tanten meinen, ich wäre zu jung für ihre bekloppten Psycho-Themen. Von wegen! Ich könnte denen ein paar wirklich gute Tipps geben. Zum Beispiel: Freut euch des Lebens! Ich glaube, der Satz stammt von dem großen Dichter und Denker Theodor Fontane. Zitiert mich trotzdem nicht. Ich kann mich nämlich auch täuschen. Ich gehe zurück in mein Zimmer, setze mich an den Schreibtisch und stecke mir die Stöpsel von Alice’ ehemaligem MP3-Player ins Ohr.
    Wie die da eben schon wieder mit ihren triefigen Augen auf Cotschs Bettkante gehockt haben! Da kann ich echt froh sein, nicht zum inneren Kreis zu gehören. Dann überlege ich eben stattdessen, was ich heute schon alles gegessen habe, und rechne die Kalorien zusammen. Wenn ich mich mit etwas auskenne, dann mit Kalorien. Ich habe schon 300 Kalorien intus. Mist! Mehr als eine halbe Scheibe Schwarzbrot, dünn mit Quark bestrichen, ist heute nicht mehr drin. Ich rechne die einzelnen Positionen sicherheitshalber noch mal durch, um ja nicht die Kontrolle zu verlieren. Dabei starre ich auf das gerahmte Foto, das auf meinem Schreibtisch steht. Darauf sind Cotsch und ich zu sehen, wie wir in jungen Jahren in Dänemark auf zwei dicken, gescheckten Ponys sitzen. Auf dem Bild sieht meine Schwester noch ganz normal aus - außer dass sie diesen beknackten Reiterhelm aufhat. Inzwischen dreht sich bei ihr alles nur noch darum, dass sie glaubt, als Sonderbegabte von Mama und Papa nicht genug gefördert zu werden. Ständig will sie ihren IQ getestet haben, zum Beweis, dass sie ein außergewöhnliches Wunderkind oder Genie ist. Aber Mama kriegt es zeitlich nicht hin, mit Cotsch zu diesen speziellen Tests zu reisen. Cotsch leidet ziemlich darunter, weil Susanna in einer Tour zu solchen Tests gefahren wird und dadurch beste Zukunftschancen hat - wie Mamas Busenfreundin Rita behauptet. Susanna bringt dann ihre peinlichen Zertifikate mit nach Hause, wo sie im Wohnzimmer goldgerahmt über den Flügel gehängt werden.
    Mich interessiert dieses Gefasel um »Sonderbegabung« nicht. Das ist was für Schwachköpfe, genau wie Susanna einer ist. Der sieht man die innere Leere förmlich an. Die hat überhaupt keine Fantasie. Außerdem hat sie Segelohren. Genau wie Alice. Darüber ist Rita total verzweifelt. Darum sagt sie ganz oft zu Mama:«
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