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Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)

Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)

Titel: Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)
Autoren: Lars Schütz
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Die Hinrichtung
    Jetzt ist es aus mit der Maus, dachte Rowen.
    Der Henker legte ihm die Schlinge um den Hals und zog sie stramm. Das Hanfseil schnitt ihm in die Haut.
    »Nicht so feste«, sagte Rowen erstickt. »Am Ende bekomme ich von dem blöden Seil noch Abdrücke.«
    »Deine Sprüche werden dir schon noch vergehen, Nager«, knurrte der Henker unter seiner schwarzen Kapuzenmaske. Sein Atem stank nach Zwiebeln und Fäulnis. Mit seinem nietenbewehrten Stiefel trat er Rowen in die Kniekehlen.
    Seine Beine gaben unter ihm nach und einen Moment lang hing er nur noch in der Schlinge, die sich sofort zuzog. Er zappelte und zerrte an den Fesseln, mit denen seine Hände auf den Rücken gebunden waren. Unter Röcheln gelang es ihm, wieder auf die Füße zu kommen.
    »Ich bin nicht irgendein Nager – da könnte ich ja auch ein Frettchen oder, Orchon bewahre, eine Ratte sein«, sagte er und hustete. »Man nennt mich nicht umsonst ›Die Maus‹. Ein bisschen mehr Sorgfalt, wenn ich bitten darf.«
    »Du bist gleich vor allem mausetot!«, rief sein Nebenmann.
    »Da habe ich aber schon bessere Wortspiele mit meinem Spitznamen gehört.«
    Die beiden anderen, mit denen er hingerichtet werden sollte, waren ein Vergewaltiger und ein Dreifachmörder. Selbst für einen Dieb wie ihn war das schlechte Gesellschaft.
    Eine Pergamentrolle unter den Arm geklemmt, schlurfte der Richter auf das Schafott. Unter seinem kolossalen Körper ächzten die Holzplanken bedenklich.
    Sein Anblick brachte Leben in die Menge auf dem Richtplatz. Buhrufe und Pfiffe brandeten auf, Fäuste wurden in die Höhe gereckt und Verwünschungen wurden ausgestoßen. Eine erste Salve aus Pferdeäpfeln und Steinen prasselte auf den Richter nieder. Eine Ladung Mist fand ihr Ziel und bildete einen braunen Fleck mitten auf der blütenweißen Toga.
    Früher hatten die Leute vor allem verfaultes Obst geworfen, aber seit den Kürzungen der Lebensmittel waren selbst wurmstichige Birnen zu kostbaren Schätzen geworden. Der Kreuzzug des Ewigen Konzils gegen die Sladonischen Völker im Norden fraß nicht nur Unmengen an Menschenleben, sondern auch Tonnen an Nahrung.
    Das Wachbataillon bildete einen Ring um das Schafott und drängte die johlenden Sichelstädter zurück. Einer von ihnen packte sogar eine ausgemergelte Frau an der Gurgel, schleuderte sie zu Boden und trat ihr ins Gesicht.
    Rowen wusste nur zu gut, dass die Menge diesen Aufstand nicht wegen ihm oder einem der anderen Verurteilten veranstaltete, sondern aus bloßer Wut auf das Ewige Konzil. Rettung durfte er nicht erwarten. Ein paar Laibe Brot würden bereits genügen, um die Leute zu beruhigen und um ihre Wurfgeschosse wieder auf die Männer am Galgen zu richten.
    Seine beiden kleinen Schwestern konnte er in all dem Gedränge nicht sehen, Orchon sei's gedankt. Weil das Urteil ungewöhnlich schnell über Nacht gefällt worden war, hatte es sich wohl noch nicht bis zu ihnen durchgesprochen. So mussten sie nicht mitansehen, wie ihr großer Bruder mit hervorquellenden Augen am Galgen baumelte.
    Wenn er sich doch nur nicht auf dieses größenwahnsinnige Unterfangen eingelassen hätte. Aber was wäre ihm anderes übrig geblieben, um seine Schulden bei Marentius, diesem alten Raffzahn, zu begleichen?
    Besser verschuldet durchs Leben taumeln , dachte er, als schuldenfrei am Galgen baumeln. Warum fielen ihm solche Weisheiten immer erst im Nachhinein ein?
    Die Nase gerümpft, wischte sich der Richter den Pferdemist von der Toga. Er entrollte die Pergamentrolle und räusperte sich, wobei sein Walrossbart wackelte.
    Mit donnernder Stimme las er vor: »Wir schreiben die zehnte Dekade des sechshundertdreißigsten Orchonjahres. Die Delinquenten Rowen Mirrus, Janus Borbius und Illio Gorm werden für ihre Verbrechen dritter Ordnung zum Tode durch den Strick verurteilt, wie es das Statut des Ewigen Konzils vorsieht. Orchon möge die Seinen unter ihnen erkennen.«
    Kurz und schmerzlos. Eine Urteilsverkündung ohne Ausschmückungen, wie sie sonst manche Richter machten und noch über die Gesetze Orchons oder die Rechtsgeschichte der Republik schwafelten. Insgeheim hatte er gehofft, sie würde etwas länger ausfallen. Aber was sollte ihm das helfen? Besser, sie brachten diese Angelegenheit schnell über die Bühne.
    Hoffentlich bricht mein Genick durch den Ruck , dachte er, so seltsam das auch klang. So zu sterben war immer noch besser, als qualvoll zu ersticken. Und bepissen wollte er sich nicht. Ein bisschen Würde konnte er sich
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