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Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)

Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)

Titel: Göttersturz, Band 2: Der Galgenaufstand (German Edition)
Autoren: Lars Schütz
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Hänfling, dessen viel zu großer Nasalhelm bei jeder Bewegung hin und her klapperte. Die Hellebarde quer haltend, stellte er sich Rowen in den Weg.
    Zeit für ein bisschen Akrobatik , dachte die Maus. Das Publikum soll ja etwas geboten bekommen.
    »Steh… stehen bleiben!«, stammelte der Hänfling und erinnerte damit eher an einen Komödianten, der sich als eine furchtsame Stadtwache ausgab.
    Er holte mit seiner Hellebarde aus.
    Rowen schraubte sich in die Höhe, die Waffe schwang unter seinen Fußsohlen vorbei. Als er auf dem Pflaster aufkam, fiel es ihm schwer, mit seinen gefesselten Händen wieder das Gleichgewicht zu erlangen. Dabei habe ich mir doch schon den Salto gespart!
    Er taumelte noch kurz vom einen Bein auf das andere, bis er wieder sicheren Halt hatte. Sofort spurtete er weiter auf die Menge zu.
    »Haltet ihn auf!«, krähte der Hänfling hinter ihm. Das Scheppern seiner Rüstung war schon weit entfernt.
    Der andere Stadtwächter, der noch immer die Menge zurückhielt, fuhr herum und fixierte Rowen aus dunklen Augen. Im Gegensatz zu seinem Kollegen machte er den Eindruck, als könne er es im Armdrücken sogar mit einem Eberbären aufnehmen.
    Bei dem helfen Kunststückchen nicht weiter , dachte Rowen und rannte noch schneller. Er musste aufpassen, dass er dabei nicht die Balance verlor. Seine Füße bluteten bereits, so wund waren sie.
    Bevor der Wächter auch nur einen weiteren Schritt auf ihn zu machen konnte, schnellten Dutzende Arme aus der Menge hervor und packten ihn.
    Der Kraftprotz schrie und schlug mit den Ellenbogen nach hinten aus. Ein nutzloses Bemühen. Einige Männer in zerfetzten Lumpen verdrehten seine Hände, sodass ihm die Hellebarde entglitt. Dann zerrte ihn jemand an der Kehle ins Menschenmeer, wo er im Gewühl der Körper verschwand. Nur seine Schreie gellten noch für einen Moment über den Platz.
    Was tun sie da? , fragte sich Rowen. Für so eine Tat konnten sie allesamt gevierteilt werden. Warum standen sie zu ihm?
    Er stürmte in die Menge, woraufhin die »Rowen!«–Sprechchöre nochmals anschwollen. Hunderte Hände berührten ihn, als würde damit sein Glück von ihm auf die anderen übergehen.
    »Du hast's ihnen gezeigt, du hast's ihnen gezeigt!«, brüllte ihm jemand heiser ins Ohr. »Du hast bewiesen, dass Orchon keine Macht besitzt.«
    Mehr als ein Dutzend Stadtwachen bezogen vor der Masse Stellung, ihre Hellebarden gesenkt. »Gebt den Delinquenten heraus! Im Namen Orchons und des Ewigen Konzils, ich warne euch nur einmal!«, rief ihr Hauptmann, deutlich erkennbar an dem Kamm aus rotem Rosshaar auf seinem Helm.
    Die Sichelstädter blieben, wo sie waren. »Kommt und holt ihn euch!«, riefen einige.
    Rowen spürte eine schartige Klinge an seinem Rücken und zuckte zusammen.
    »Schon gut«, raunte der Mann hinter ihm und durchtrennte mit der Klinge seine Fesseln. »Jetzt sieh zu, dass du verschwindest.«
    Sich die Handgelenke reibend, wandte sich die Maus zu ihrem Wohltäter um. Es war ein Metzger, der wohl gleich aus seinem Laden zur Hinrichtung gekommen war. Selbst seine blutige Schürze trug er noch am Leib.
    »Danke«, sagte Rowen und blickte ihm in die Augen. Dann bahnte er sich seinen Weg durch die Sichelstädter, die ihm eilends Platz machten, sobald sie ihn sahen.
    Was ging hier nur vor?

Sichelstadt
    Es gab etwas, das für einen Dieb noch überlebenswichtiger war als leise Sohlen und ruhige Finger: Wissen über alles und jeden.
    »Bevor du damit anfängst, Dinge in einer Stadt zu stehlen, solltest du zuerst einmal Wissen über die Stadt stehlen. Das hat den Vorteil, dass es nicht verboten ist« , hatte Rowens Lehrmeister, der gute alte Meeka Dreiauge, zu sagen gepflegt. Rowen wollte sich gar nicht ausmalen, was aus ihm geworden wäre, wenn Meeka ihn nicht entdeckt hätte, als er allein mit seinen Schwestern nach Sichelstadt gekommen war. Wahrscheinlich wäre er als Stricher oder Bettelknabe geendet, hätte er nicht das Diebeshandwerk erlernt.
    So hatte Rowen als Jungmaus die meiste Zeit damit verbracht, den Leuten zuzuhören. Er merkte sich Gerüchte, Binsenweisheiten, Tratsch und Legenden. Und wenn er nicht gerade durch die Gassen zog und die Lauscher aufsperrte, brütete er in den Archiven über vergilbten Stadtkarten und Chroniken.
    Dies hatte ihn über die Jahre zu einem der größten Kenner der Stadt gemacht. Er kannte jeden Winkel, jedes winzige Gässlein, jede noch so heruntergekommene Spelunke in Sturzstadt und wusste über den Lageplan der Universität
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