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Leuchtfeuer Der Liebe

Leuchtfeuer Der Liebe

Titel: Leuchtfeuer Der Liebe
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Verlangen, keine Sehnsucht in ihm.
    Doch diese Fremde in seinem Haus war irgendwie anders. Er wusste nicht einmal ihren Namen, und dennoch sagte ihm sein Argwohn, dass sie eine Bedrohung seiner Existenz darstellte.
    Er wandte dem Meer den Rücken zu und richtete den Blick auf seine Welt, ein einsamer König, der über sein menschenleeres Reich herrschte. Die Leuchtturmstation war der einsamste, abgelegenste Ort der Welt. Jesse hatte sich aus gutem Grund hierher geflüchtet, ans Ende der Welt.
    Aber wie sich herausstellte, war er nicht weit genug geflohen.
     
    Jesse stellte bedächtig einen Hocker unter die Klappe im Speicher. Seit Jahren hatte er nichts aus dem Stauraum benötigt.
    Doch jetzt brauchte er etwas. Hoffentlich war die Ausrüstung noch zu verwenden. Er stieg auf den Hocker, griff in den Stauraum und tastete sich durch Spinnweben und Staub, bis er einen Holzkasten und ein Holzgestell fand.
    Er stellte den rechteckigen Holzkasten auf den Küchentisch und sah ihn lange an. Er hatte die Kamera seit Jahren nicht benutzt und war nicht einmal sicher, ob sie noch funktionierte. Vorsichtig öffnete er die zwei Schnappverschlüsse und machte den Deckel auf. Kamera, Glasplatten und Dunkeltuch lagen genau so, wie er sie vor langer Zeit eingeräumt hatte. Die Schraubverschlüsse der Glasbehälter mit den Chemikalien waren verrostet. Auf den Albuminpapieren hatten sich rote Flecken gebildet.
    Das Fotografieren war ein umständliches Verfahren. Die Glasplatte musste gereinigt werden, danach wurde eine Schicht Kollodium, in Äther aufgelöste Baumwolle, aufgetragen und die Platte in Silbernitrat getaucht. Zur Belichtung wurde Magnesiumpulver in einer Metallschale entzündet. Nach der Belichtung wurde die Platte in einem Säurebad mit weiteren Chemikalien entwickelt. Dabei galt es, exakt auf die Dosierung der einzelnen Zutaten zu achten, sonst war der ganze langwierige Prozess umsonst. Das war ihm einmal passiert, als ...
    Er verfluchte die Erinnerungen, die sich ihm ständig aufdrängten. Er war an diese einsamen Klippen geflohen, um zu vergessen, und nun zwang diese Fremde ihn, sich an eine andere Zeit, ein anderes Leben zu erinnern. Er biss die Zähne zusammen und stellte alles zurecht, was er brauchte: die Chemikalien, die Platten, den Dreifuß und das schwarze Seidentuch. Dann betrat er leise die Kammer.
    Sie schlief, ihr Atem ging leise und regelmäßig. Ihr rubinrotes Haar war wie ein Fächer auf dem Kissen ausgebreitet, sie lag seitlich, mit angezogenen Knien, die Arme schützend um ihren Leib gelegt.
    Jesse zwang sich, sie nicht anzustarren. Er versuchte, an nichts zu denken, und konzentrierte sich auf seine Arbeit. Er wollte sie loswerden, und um das zu erreichen, musste er ihre Verwandten auftreiben. Deshalb musste er sie fotografieren und das Bild in der Zeitung veröffentlichen.
    Möglicherweise kam auch ihre dankbare Familie, um sie abzuholen, noch bevor sie aufwachte, bevor er Näheres über sie erfuhr.
    Er baute den Dreifuß am Fußende des Bettes auf, schraubte die Kamera darauf und blickte durch den Sucher.
    Und plötzlich stürmten die Erinnerungen auf ihn ein, die er so lange unter Verschluss gehalten hatte, trafen ihn wie ein körperlicher Schlag. Er hörte das Lachen einer Frau, die seit Jahren nicht mehr lebte, sah sich selbst als jungen Mann, der mit ihr lachte ...
    „Halt still, Liebes. Es dauert nur eine Minute."
    „Ach Jesse, du brauchst eine Ewigkeit." Ihre zarten Finger im Spitzenhandschuh strichen eine widerspenstige Locke aus ihrer Stirn. Rosige Lippen lächelten zu ihm auf. „ Mach endlich das Bild, und lass uns essen." Die schmale Hand in dem Spitzengespinst wies zu einem üppigen Picknick auf einer karierten Fransendecke in einer blühenden Sommerwiese. „Hast du denn keinen Hunger?"
    Er ließ die Kamera stehen, war mit drei langen Schritten bei ihr und hob sie schwungvoll in die Arme. Das Picknick und die Fotografie waren für einige Zeit vergessen, bis kühle Schatten über die Wiese krochen.
    „ Es ist nicht mehr hell genug für eine Fotografie, Jesse."
    Er strich ihr zärtlich über den zerzausten blonden Lockenkopf. „ Wir haben unendlich viel Zeit, Liebste."
    Jesse unterdrückte ein Stöhnen, befreite sich gewaltsam aus der Erinnerung, wie ein Verwundeter, der sich das Messer aus der Brust reißt, mit dem er niedergestochen worden war.
    Verflucht. Es hatte bereits begonnen. Die Fremde und das Geheimnis, das sie umgab, zwangen ihn, zu denken, sich zu erinnern, zu fühlen.
    Je
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