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Leuchtfeuer Der Liebe

Leuchtfeuer Der Liebe

Titel: Leuchtfeuer Der Liebe
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Geduldsfaden. „Ich habe Sie fotografiert. Was denken Sie denn?"
    Sie bekreuzigte sich, drückte den Rücken gegen den Holzrahmen des Bettes und zog die Decken bis zum Kinn hoch. „Perverser Kerl!"
    Zähneknirschend ballte er die Hände zu Fäusten, um sich zu hindern, etwas zu tun, was er später bereuen würde. Genau das war der Grund, warum er hier auf der Leuchtturmstation allein lebte. Ihm fehlte die Geduld im Umgang mit anderen Menschen, vor allem mit einer vorlauten irischen Frau, die nicht die Spur von Dankbarkeit zeigte.
    „Madam", sagte er förmlich. „Ich fürchte, Ihr Unfall hat Sie verwirrt. Sie waren lange ohne Bewusstsein, und ich halte es für angebracht, Ihre Verwandten ausfindig zu machen. Ich habe Sie fotografiert in der Absicht, Ihr Bild in der Zeitung zu veröffentlichen, damit Ihre Verwandten und Freunde erfahren, dass Sie das Schiffsunglück überlebt haben."
    Er ging gemessenen Schrittes zur Tür, die Kamera in einer Hand, den Dreifuß in der anderen, und fügte über die Schulter hinweg hinzu: „Möglicherweise freut sich irgendjemand darüber, dass Sie am Leben sind."
    Hastig sprang sie aus dem Bett und wollte auf nackten Sohlen über die Scherben auf dem Boden gehen. Jesse blieb keine andere Wahl, er ließ das Stativ fallen und hob sie in die Arme.
    Ein Schrei entfuhr ihr vor Schreck, sie strampelte wild mit den Füßen. „Tun Sie es nicht, Kleiner."
    Er sah sie starr an. Ihr Scheitel war in Höhe seines Kinns. Er spürte die Hitze, die von ihr ausging. Die Empfindung war so ungewohnt, dass er sie beinahe fallen ließ. Er setzte sie aufs Bett und trat hastig zurück, als sei er einem glühenden Ofen zu nahe gekommen.
    „Verzeihung?" fragte er verständnislos.
    „Keine Ursache." Sie nickte kurz.
    „Ich meine, ich folge Ihnen nicht ganz, Madam. Bitten Sie mich, das Zimmer nicht zu verlassen?"
    „Ja, darum bitte ich Sie."
    „Darf ich fragen, warum?"
    „Weil ich nicht will, dass ein Bild von mir in die Zeitung kommt."
    Aha. Sie war also abergläubisch. Viele Einwanderer brachten ihre rückständigen Ansichten mit in die Neue Welt. Palina und Magnus waren der beste Beweis dafür. Es gab eine Menge Leute, die glaubten, es bringe Unglück oder es sei Gotteslästerung, sich fotografieren zu lassen.
    „Da Sie endlich wieder bei Bewusstsein sind, ist das wohl nicht mehr nötig. Sie nennen mir Ihren Namen und Ihr Ziel, und ich berichte ..." Er hielt mitten im Satz inne und runzelte besorgt die Stirn. „Miss ... ehm ... Madam? Ist Ihnen nicht gut?"
    Sie schwankte, ihre Augen wurden glasig. „Mir ... mir ist plötzlich so komisch. Alles dreht sich um mich", flüsterte sie mit belegter Stimme. „Könnten Sie ..."
    Die Stimme versagte ihr, sie sackte zur Seite. Jesse ließ die Kamera fallen und verzog das Gesicht, als die Linse knackte, nahm die Frau bei den Schultern und stützte sie.
    „Ma'am?" fragte er. „Fühlen Sie sich nicht wohl?"
    Sie gab ihm keine Antwort. Wieder hatte sie das Bewusstsein verloren.
    Jesse seufzte. Nachdem er sie auf das Kissen gebettet hatte, zögerte er. Gegen seinen Willen hielt er sie in den Armen, vermochte die Empfindung nicht zu fassen, die ihr warmer Körper in ihm auslöste, das Kitzeln ihres Haars an seinem Gesicht, ihr Duft, verlockend und verboten.
    „Zum Teufel", stieß er zwischen den Zähnen hervor. Sie verkörperte all das, was er für immer zu vergessen suchte.
    Behutsam packte er die Bewusstlose in die Decken ein. Er hatte nicht geahnt, dass immer noch so etwas wie Sanftheit in ihm war.
    Je früher er sie loswurde, umso besser. Noch heute würde er Dr. MacEwan holen, um sich zu vergewissern, dass dieser Rückfall nichts Ernstes war.
    Zum Glück war die belichtete Platte unversehrt geblieben. Nach der Entwicklung würde er also ein Bild der Fremden haben. Die chamois getönte Fotografie würde zwar die Farben ihres roten Haares und ihrer rosigen Wangen nicht wiedergeben, auch die Sommersprossen würden nicht zu sehen sein, aber man würde sie darauf erkennen.
    Dornröschen, dachte er.
    Zum Teufel mit ihrem Aberglauben. Wenn sie nicht wach blieb und ihm nicht sagte, wer sie war, würde er das Bild veröffentlichen und Nachforschungen einleiten.
    Wieder knirschten die Scherben unter seinen Stiefelsohlen.
    In all den Jahren, in denen er nun hier lebte, hatte es keine solche Unordnung in seinem Haus gegeben.
    Und die Frau war keine fünf Minuten wach gewesen.
     
    „Dieses Messing", schimpfte Palina, „ist der Fluch meiner alten Tage.
    Jesse
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