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Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Titel: Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)
Autoren: Norbert F. Schaaf
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einfach darauf zurückzuführen, dass er – Knall auf Fall – bei seinem Boss hatte aufhören müssen, um allerdings gleich wieder bei seinem neuen Brötchengeber anfangen zu können, dem altgedienten Genossen und Kronprinzen des alten Staatsrates, Egon Krenz, worauf sich der Doktor der Volkswirtschaft (politische Ökonomie) profund und fieberhaft vorbereitete. Was er so ganz genau machte, wusste man nur beim Sekretariat des Politbüros des ZK aufwärts. Den breiteren Kreisen der Bevölkerung war er nur ganz allgemein als „Erichs Devisenbeschaffer“ bekannt. Wer also im Staat etwas zu sagen hatte und/oder auf sich hielt, war bestrebt, mit Romboy auf gutem Fuß zu stehen, und ließ sich – anwaltlich wie pekuniär – bei komplizierten Problemen und verwickelten Transaktionen nur zu gern beraten von dem hochgebildeten, kunstsinnigen Endfünfziger, der über weitverzweigte, auch grenzübergreifende Verbindungen verfügte; etwaige unumgängliche Kontakte des promovierten Rechtsanwaltes und dekorierten Obersten a. D. zu einer Instanz mit dem unverfänglichen Kürzel M. f. S. – im Volksmund Memfis genannt – gab es kaum nennenswerte, jedenfalls keine, die über das für seine Tätigkeit unbedingt notwendige Maß hinausgingen.
    So wusste auch Johannes lediglich, dass es schier unmöglich war, bei dem betriebsamen Aktivisten vorgelassen zu werden, zumal sein Anliegen dem Vormund als Lappalie erscheinen musste, nicht würdig, kostbarste Zeit eines Helden der Arbeit in Anspruch zu nehmen. Daher betrat er mit gemischten Gefühlen das Vorzimmer des Sekretariats bei der Bauernbank, als er auf sein wiederholtes Klopfen keine Antwort bekam. Er begann, sich im Raum umzusehen, sein Blick fiel auf die Schreibmaschine, in der ein halb beschriebener Bogen steckte, als sich schon die innere Tür des Allerheiligsten öffnete. Johannes vernahm die ölige Stimme des Vormunds und die Stimme des Schriftführers: „Jawoll, ich erledige das sofort“, der nun in Person unter der Außentür erschien.
    „Aha, der Huschke“, brummte die rechte Hand des Doktors, ein mumienhaft vertrocknetes Männchen mit einem weit vorstehenden Hauergebiss, einer spitzen wächsernen Nase und einem auffallend kleinen Kopf mit Glatze, über die quer ein Dutzend pomadisierter Haarsträhnen gelegt waren. Er schien den Besucher stirnrunzelnd mit seinen tief liegenden Augen über eine getönte Halbrille hinweg aufzuspießen und machte auf Johannes keineswegs den Eindruck eines Mannes, auf den der Vormund große Stücke hielt, obwohl der Bürovorsteher ein phänomenales Gedächtnis besitzen, sämtliche Paragraphen des Bürgerlichen Gesetzbuches einschließlich aller Neuregelungen für die DDR wörtlich zu zitieren imstande sein und die knifflichsten Winkelzüge bankmäßiger Geld- und Kreditbeziehungen in der Innen- und Außenwirtschaft des Landes virtuos beherrschen sollte. Johannes hielt ihn nicht für einen Ausbund an Sympathie und ärgerte sich maßlos, wenn ihn der Kerl – wie gerade eben – mit der sorbischen Koseform seines Vornamens anredete.  
    „Grüß Gott, Herr Sekretär!“ gab er deshalb spitz den Gruß zurück.
    „Ich bin wäder leidender Staatsfunktionär noch Stenodybist“, giftete das Männlein exaltiert und mundartlich, „sondern Brodogolland des Härrn Juschdiziars, wie Sie sähr gänau wissn!“ und wollte damit sagen, dass es in keiner leitenden, so doch protokollierenden Stellung sei. Er räusperte sich, bevor er beherrscht, doch inquisitorisch fortfuhr: „Dauert es lang bei Ihnen, Hu... Herr La Bruyère? Der Herr Doktor hat gleich eine Konferenz, und Sie wissen, wie schwer es ist, Sie vorher noch dazwischenmogeln zu müssen.“ Seine guttural-nuschelnde Aussprache verriet unverkennbar noch den Sachsen, auch wenn er nicht erregt war. „Hoffentlich haben Sie ein bisschen Geduld mitgebracht. Wenn Sie sich solange ins Wartezimmer bequemn wolln und mich entschuldschen, da ich noch einen Schriftsatz für Ihre Frau Dante, die Genossin Wagner-Gewecke aufzusetzen habe.“  
    „Tante Friederike...“‚ rief Johannes, schon an der Tür, wandte sich noch einmal um und deutete mit einem Kopfnicken zum Büro des Vormunds.
    „Vielleicht wollen Sie sie nachher begrüßen!?“ bemerkte der Vorzimmerherr unfreundlich.
    „Danke“, entfuhr es Johannes unter der Tür zum Wartezimmer, „nein!“ Und er schloss rasch die Tür, so dass der Sekretär seine Gebärde komischen Erschreckens nicht mehr sehen konnte.
    Er nahm eine bunt- und reich
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