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Letzte Instanz

Letzte Instanz

Titel: Letzte Instanz
Autoren: Marcia Muller
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hatte.
    »Und diese Vorstellung neulich abends
in Seacliff, Jack? Wann hörte es auf, nur eine Vorstellung zu sein?« fragte ich
Jack.
    »Als du wissen wolltest, ob noch jemand
anders im Haus gewesen sei. Davor hat sie geschauspielert — und verdammt gut
dazu. Sie hatte mich ganz schön auf den Leim geführt.« Er hockte sich auf die
Fersen. Sein Gesicht zeigte nackten Schmerz. »Hinterher hat sie alles
zugegeben. Sie war jahrelang bei so einem Seelenklempner in Behandlung gewesen.
Ihre Erinnerung war mit Hilfe von Hypnose zurückgekehrt, schon bevor Lis aus
dem Gefängnis kam. Alles, bis auf diesen letzten Punkt. Bis dahin hatte sie
geglaubt, Lis wäre Cordys Mörderin gewesen.«
    »Meinst du, Judy hätte Stameroff
erschossen?«
    »Jetzt, in Untersuchungshaft, behauptet
sie, sie hätte ihm nur Angst einjagen wollen. Aber, mein Gott, Shar — du hast
sie gesehen, hast sie gehört.« Sein Blick verdüsterte sich. Die Erinnerung
daran würde ihn in einem gewissen Maße immer verfolgen. »Ich weiß jedenfalls, daß sie Eyestone weggepustet hätte«, setzte er hinzu. »Sie ist...
so voller Haß.«
    Haß. War es am Ende nicht Haß, auf den
dieser ganze Fall hinauslief? Intoleranz und Haß, unterschwellige Angst und
Gewalt. In den Fünfzigern haßte man die Kommunisten. In den Sechzigern wurden
Hippies und Hasch verteufelt. In den Siebzigern schmähte man den aufkommenden
Feminismus. Die Achtziger erlebten den Rollback gegen die Liberalen. Und nun in
den Neunzigern vergibt unsere Regierung Studienaufträge zur Steuerung und
Einbindung der religiösen Rechten. Links, rechts oder gerade mitten drin — als
Nation kennen wir in unserem Haß keine Unterschiede...
    Jack stand auf und stemmte seinen
Rucksack hoch.
    »Wie lange bist du weg?«
    »Bis ich mich wieder auf dem Damm
fühle. Vielleicht ist ein gesunder Menschenverstand das einzig Vernünftige, auf
das ich für mein Leben hoffen kann.«
    »Vielleicht ist das für uns alle die
einzige Hoffnung.«
    Als er gegangen war, setzte ich mich
eine Weile auf sein Sofa, um nachzudenken. Dann ging ich in mein Büro zurück.
    Rae lag auf meiner Chaiselongue und
schaute mehr als melancholisch drein. »Hast du Jack gesehen?« fragte sie.
    Ich nickte. »Du hattest den Verdacht,
daß Judy hinter diesen Belästigungen steckt, nicht wahr?«
    »Ja. Wie bist du darauf gekommen?«
    »Durch eine Bemerkung von dir an dem
Abend im Remedy über das perfekte Timing dieser Aktionen.«
    »Ach ja, richtig. Meinst du, Jack fängt
sich wieder?«
    Das war die Frage, über die ich auf
seinem Sofa nachgedacht hatte. »Kann sein«, sagte ich. »Falls er nicht
versucht, den Half Dome zu besteigen.«
    Rae war nicht in der Stimmung für
lockere Sprüche. Sie starrte nur trübsinnig zur Decke.
    Ich setzte mich an meinen Schreibtisch.
»Und wie steht es mit dir heute?«
    »Ach... soweit okay.«
    »Möchtest du mir erzählen, was zwischen
dir und Willie war? Ich hörte so ein Gerücht über einen gewissen Diamantring.«
    Sie setzte sich plötzlich gerade auf,
und aus ihren Augen blitzte es. »Ach, hast du das? Soll ich dir mal etwas
sagen, Shar? Willie ist so romantisch wie ein... Toaster!«
    »Keinen Ring?«
    »O doch, es gab einen Ring. Und Blumen.
Auch Champagner. Aber weißt du, was dieser Dreckskerl wollte, bevor wir
heiraten?«
    Ich schüttelte wortlos den Kopf.
    »Einen Vertrag.«
    »Einen Ehevertrag?«
    »Genau. Er behauptet, er hat ein
Monster in mir geweckt, als er mir den Umgang mit Krediten beibrachte. Und wenn
es mit unserer Ehe nicht klappt, dann will er nicht, daß ich Zugriff auf sein
ganzes Geld habe!«
    Ich sagte mir im stillen, wenn ich
jetzt lachte, wäre unsere Freundschaft für alle Ewigkeit dahin. Also sagte ich
in bemüht ernstem Ton: »Hank sagt, Eheverträge sind seit Donald Trump und
seiner Ivana Mode geworden. Vielleicht kommt Willie ja wieder zu Verstand.«
    »Nicht so leicht. Er weiß, was er mich
mit seinem Vertrag mal kann!« Sie stand auf, ging zur Tür und drehte sich
wieder um. »Übrigens, diese Adah Joslyn hat angerufen, während ich hier auf
dich wartete. Sie wollte dir sagen, daß Chavez in Untersuchungshaft sitzt und
Tony Nueva wegen Drogenbesitzes in einer Heiratskapelle in Reno festgenommen
wurde.«
    »Vor oder nach der Zeremonie?«
    »Wie, zum Teufel, soll ich das wissen?
Ich hoffe, vorher. Und wenn nicht, dann hoffe ich, daß er keine Zeit mehr
hatte, seine Frau einen Ehevertrag unterschreiben zu lassen!«
    Als sie gegangen war, erlaubte ich mir
zu lachen. Raes Leben
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