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Letzte Instanz

Letzte Instanz

Titel: Letzte Instanz
Autoren: Marcia Muller
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seine zwei Lebenswelten
strikt voneinander getrennt hatte, schreckte davor zurück — bis Woods ihn daran
erinnerte, welchen Schaden es für ihn und das Institut bedeuten würde, wenn
seine radikalen Verbindungen publik würden.
    Das wurde ihm noch klarer, als das
Institut in Verhandlungen über einen Auftrag zum Thema Abschreckung und innere
Sicherheit trat. In dem Zusammenhang wurden nämlich alle Institutsmitglieder,
die mit dem Projekt zu tun bekamen, überprüft. Zwar gehörte Leonard nicht dazu,
aber jetzt wurde er sich der Gefahr bewußt, in die er sich selbst gebracht
hatte, und er versuchte, mit Woods und den anderen radikalen Genossen zu
brechen. Aber Woods hatte die irritierende Angewohnheit, unangemeldet in Seacliff
aufzutauchen und sich überall hineinzudrängen. Ganz besonders schreckte es
Leonard, daß sein ehemaliger Kampfgenosse es gedeichselt hatte, eine Einladung
zum Dulles-Empfang zu bekommen.
    »Wenn man es sich genau überlegt«,
sagte Adah, »war Leonards kommunistisches Engagement eine ziemlich unschuldige
Sache. Er sagt, er war niemals Mitglied.«
    »Das hatte damals nichts zu sagen«,
sagte ich. »McCarthy und seine Verbündeten haben Leute für viel Geringeres
vernichtet als das.«
    »Das stimmt.« Sie streckte ihre langen
Beine aus, stützte die Füße auf das Geländer und blinzelte in die Sonne. »Aber
ich glaube noch immer, Leonard wäre davongekommen, wenn Cordy McKittridge
nichts von der Geschichte gewußt hätte.«
    Doch Cordy hatte Bescheid gewußt, und
mit der Zeit fing sie an, Leonards radikale Neigungen und Roger Woods’ ständige
Teilnahme an Interna des Instituts als eine persönliche Bedrohung anzusehen.
Vincent Benedict hatte beschlossen, seine Frau zu verlassen und sie zu
heiraten. Die Scheidung würde teuer werden, und Cordy wußte, daß ihr
konservativer, öffentlichkeitsscheuer Vater sie fallenlassen würde, wenn Lis
sie als Scheidungsgrund nannte. Vincent war auf seinen Job angewiesen. Deshalb
mußte das Institut geschützt werden. Im Juni 1956 schrieb Cordy ihrem
verflossenen Liebhaber einen Brief: Er solle mit Woods brechen und aus dem
Institut ausscheiden, sonst würde sie seinem Vater alles erzählen.
    »Cordy war grob gegenüber Leonard«,
sagte ich, »und dahinter steckte mehr als nur ein bißchen Eigeninteresse. Aber
ich meine schon, sie hielt das — entschuldigen Sie die abgenutzte Floskel — ,
für das Richtige. Sie kam mir schon immer wie eine Frau vor, deren Moral nur
Schwarz und Weiß kannte.«
    Adah schnaufte höhnisch.
    »Nein — denken Sie doch an ihre Herkunft.
Altes Geld, konservativ. Gut erzogen. All diese Normen. Frühe derartige
Einflüsse haben eine starke Wirkung. Was passiert mit Kindern, die so
aufwachsen? Sie rebellieren und stoßen sich die Hörner ab, aber schließlich
finden sie, daß sie dem, was sie sind, nicht entfliehen können. Sehen Sie sich
Leonard an.«
    »Mag sein.«
    »Louise Wingfield sagte mir etwas
Bezeichnendes: daß Cordy nämlich nie jemanden geliebt hat, am wenigsten sich
selbst. Viel von diesem Selbsthaß könnte daraus entstanden sein, daß sie gegen
alles anging, an das sie tief in ihrem Innern doch glaubte.«
    »Sie sind ja eine richtige Psychologin,
McCone.«
    Ich überhörte die Stichelei. »Gibt
Eyestone zu, daß er die Tat vorsätzlich begangen hat?«
    »Nein. Er behauptet, von Melissa
erfahren zu haben, daß Cordy an dem Abend ein Stelldichein mit Vincent hatte —
Melissa wußte nicht, daß der Brief in Wirklichkeit von Lis stammte. Eyestone
fand das angesichts des Banketts seltsam. Er fragte Vincent also, und der
meinte, Cordy müsse da etwas verwechselt haben. Eyestone nutzte die
Möglichkeit, das Bankett früh zu verlassen, und fuhr hin. Nur, um zu reden,
sagt er. Aber sich aus dem Blue Fox wegzuschleichen, war heikel. Er muß es sich
vorher gut ausgedacht haben. Warum aber die Heimlichtuerei, wenn er nicht
vorhatte, sie zu beseitigen?«
    »Natürlich hatte er es vor, aber das
wird er nie zugeben. So, wie er es jetzt darstellt, kann sein Anwalt auf Tötung
im Affekt plädieren. Berücksichtigt man, wie lange das Verbrechen her ist,
kommt er wahrscheinlich mit einer milden Strafe davon. Denn für den Mord an
Melissa Cardinal gibt es keine Beweise gegen ihn.«
    »Ach, keine Sorge. Die kriegen wir
noch.« Adah nickte weise. »Wir beide wissen, daß die Cardinal ihn jahrelang
angezapft hat, und irgendwo in seinen Bankunterlagen muß es einen Hinweis
darauf geben. Bart ist ein Meister im Aufstellen von
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