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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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Mietwohnung: Ich blieb bis zum einunddreißigsten Januar in der preußischen Provinzhauptstadt und flog erst mit der letzten Maschine raus, während die Rote Armee die Stadt an diesem Tag einschloss und zu bombardieren begann.
    Was für ein Irrsinn! Das zweite Mal war ich der Vernichtung im Osten entkommen. Mein Gott, was für ein Irrsinn. Auf der Straße schlugen Granaten ein, und ich hockte über Akten von Soldaten und Offizieren der Waffen SS, die gestohlen hatten. Ein Beamter, der friert eben nicht, der zittert nur vor Wut!
    Bereits einen Tag nach seiner Ankunft in Königsberg erreichte Sturmbannführer Doktor Kurt Schmelz am siebten Dezember vierundvierzig das Telegramm vom Erbprinzen Waldeck Pymont, aus dem hervorging, Martin Sommer sei wie erwartet zum Tode verurteilt worden.
    Hackmann und Karl Koch ebenfalls.
    Soweit, so gut, dachte Schmelz.
    Doch war Ilse Koch nicht verurteilt worden, und Schmelz wurde klar, er hätte sich bei ihr nicht nur auf die Untreue gegenüber dem Reich und dem Ehemann konzentrieren sollen, er hätte die Misshandlungen der Häftlinge stärker herausarbeiten sollen, ja, müssen!
    Doktor Kurt Schmelz begann sofort, von Königsberg aus neues Material gegen diese Frau zu sammeln, um einen speziellen Prozess gegen sie anstrengen zu können.
    Was ihn jedoch am meisten ärgerte, war die Tatsache, dass der schöne Waldemar nicht verurteilt worden war! Ein Skandal! Sicher, einem Arzt Mord zu beweisen, das war immer ein sehr schmaler Grat, aber Hoven, und bei der Beweislage! Schmelz schüttelte den Kopf.
    Aus Mangel an Beweisen waren Waldemar Hoven und Ilse Koch freigesprochen worden! Immerhin, es waren keine reinen Freisprüche, es waren nur welche aus Mangel an Beweisen, es waren keine wegen erwiesener Unschuld. Dem Ermittlungsrichter taten sich sofort neue Möglichkeiten auf. Vielleicht, meinte er, sei dies auch ein Hinweis vom Chefrichter Ende, er, Schmelz, solle weiterarbeiten. Vielleicht habe Ende diese Türen absichtlich offen gelassen, nein, bestimmt! Bestimmt doch!
    Kurt Schmelz nahm sich vor, diese Mängel zu beseitigen, als ihn in seinem Büro in Königsberg, wo er auf gepackten Koffern saß und auf den Moment wartete, mit den anderen vor der Roten Armee zu flüchten, ein dicker Brief von Obersturmführer Doktor Tarnat erreichte. Verwundert drehte Schmelz das Kuvert hin und her, ehe er es öffnete. Dieser Tarnat! Was hatte denn der noch vor? Laut Absender befand er sich in der Reichshauptstadt, der arme Hund! Von Berlin hörte man ja die allerschlimmsten Dinge, dort solle es ja Bomben wie aus Eimern schütten. Schmelz biss sich auf die Unterlippe und öffnete den Umschlag.
    Zwanzig lose, dicht beschriebene Blätter fielen auf den Schreibtisch und was ihm sofort in die Augen stach, war dieser Name, dieser ihm so verhasste Name.
    Pohl, Oswald Pohl, Pohl, auf den ersten Seiten wurde dieser Name dutzendfach genannt.
    Schmelz faltete den Begleitbrief auseinander und las:
    Sturmbannfuehrer,
    soeben erreichte mich beiliegender Bericht. Er wurde mir von meinem langjaehrigen Freund und Vorgesetzten Gruppenfuehrer Arthur Nebe zugeschickt, der sich lange auf der Flucht befand, weil er das Stauffenberg Attentat aktiv unterstützt hatte. Diese Sache da in der Wolfsschanze, irgendwann im Sommer.
    Ende des Jahres wurde er suedlich von Berlin in einem Dorf aufgegriffen, in dem die dortige Polizei anscheinend nicht das Portrait des Leiters der deutschen Kriminalpolizei kannte. Welch Ironie!
    Er wurde lange von einer Freundin versteckt, doch als sie merkte, er liebe sie nicht, er liebe seine Frau, zu der er im Augenblick aber nicht koenne, verriet sie kurzerhand den Aufenthaltsort von Arthur. Also, niemals ehrlich sein zu Weibern! Zu Frauen schon, aber nicht zu Weibern. Welch Ironie!
    Kurz vor seiner Festnahme hat er mir diesen Brief noch geschickt, weiss der Teufel, wieso.
    Nun ist auch er wegen Hochverrats zum Tode verurteilt worden und muss jeden Tag mit seiner Erschiessung rechnen – ausgerechnet in Buchenwald sitzt er ein! Im Sonderlager Fichtenhain. Zeiten sind das, was, Sturmbannfuehrer? Welch Ironie!
    Wie ist das Leben in Koenigsberg so? In Berlin ist es nicht gerade eine Freude im Augenblick. Wohne in Moabit, in der Birkenstrasse, immerhin, so dicht neben dem Gefaengnis ist man vor Luftangriffen halbwegs gesichert, halbwegs! Noch eine Ironie! Bitte vernichten Sie diesen Begleitbrief, ich bin aber ueberzeugt, dass Nebes Erbe bei Ihnen in sehr guten Haenden sein wird.
    Ich denke, auf das hier
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