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Letale Dosis

Letale Dosis

Titel: Letale Dosis
Autoren: Andreas Franz
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traurig und setzte sich neben Sabine Reich. Sie legte eine Hand auf ihren Arm, sah sie an. »Warum hast du nie über deine Gefühle gesprochen?«
    »Warum?« Sabine Reich zuckte die Schultern. »Vielleicht wollte ich wirklich nur Rache nehmen. Rache an diesen Menschen, die mein, die unser Leben zerstört haben. Und glaub mir eines, auch Rosenzweig und Schönau wußten von dem, was dein Vater getan hat. Aber sie haben nichts gesagt, und die Gründe dafür kannst du dir denken.«
    »Aber du hättest sie doch nicht gleich alle umbringen müssen! Mein Gott, warum?«
    »Für meine Mutter, für dich, für mich. Ich weiß, ich habe keine Zukunft mehr, doch dir steht die ganze Welt offen. Bis jetzt hast du dich in dein Mauseloch verkrochen und keinen Menschen an dich rangelassen. Du schleppst deine Vergangenheit wie ein tonnenschweres Gewicht mit dir herum. Such dir endlich einen Mann, geh unter die Leute …«
    »Ich habe jeden Tag mit Leuten zu tun!«
    »Du weißt genau, was ich meine. Wir haben oft genug darüber gesprochen. Laß die Vergangenheit ruhen.«
    »Das mußt ausgerechnet du sagen! Wer hat denn diese Männer umgebracht, weil die Vergangenheit sie nicht ruhen ließ?« Sieschüttelte fassungslos den Kopf. »Und ich dachte, du wärst meine beste Freundin.«
    »Das bin ich immer noch. Sicher, ich habe getötet, doch ich habe es weder aus Habgier oder Neid oder Eifersucht getan. Und diese Kirche …«
    »Diese Kirche ist wahr, ganz gleich, was du sagst. Ohne sie wäre ich zugrunde gegangen. Meine Freunde habe ich in der Kirche.«
    »Sieh doch endlich ein, daß alles nur Fassade ist. Sie alle spielen das Spiel mit, die einen führen, die andern gehorchen. Sie sind wie Lemminge, die eines Tages an die Klippen gelangen und ins Meer stürzen. Das ist die Kirche. Mach die Augen auf und beobachte die Menschen dort, und du wirst sehen, sie unterscheiden sich in nichts von all den anderen Menschen auf der Welt. Sie sind gierig, machthungrig, arrogant, auf Ansehen bedacht, neidisch und verlogen; sie brechen die Ehe, mißbrauchen Kinder, ziehen den Namen Gottes, wenn es denn einen gibt, in den Schmutz. Am Sonntag sind sie Heilige, den Rest der Woche über benehmen sie sich wie Heiden. Nicht alle, aber viele …
    Laura, du bist eine ganz besondere Frau. Mach etwas aus deinem Leben. Und wenn du wirklich so fest von diesem Evangelium überzeugt bist, dann sei du die Führerin dieser Menschen, die glauben oder glauben wollen, und zeige ihnen den richtigen Weg. Ich hab dich wirklich sehr, sehr lieb, nicht nur, weil du meine Schwester bist. Ich hab dich lieb, weil du du bist. Einfach so.«
    Laura Fink hatte Tränen in den Augen, ihre Mundwinkel zuckten, wie durch einen Nebelschleier sah sie Sabine Reich an.
    »Du bist meine Schwester«, sagte sie mit schwerer Stimme.
    »Und ich dachte immer, du redest das nur so daher, dabei war es dir immer ernst. Was hat man dir bloß angetan?«
    »Du wirst es irgendwann erfahren. Doch bevor du gehst, noch eines – wenn es einen Menschen gibt, an den ich immer denken werde, dann wirst du es sein. Mach’s gut und vergiß mich nicht. Und vor allem – paß auf dich auf.«
    »Ich verspreche es, Schwester. Ich werde immer für dich beten.«
    »Du kannst es versuchen, aber ich fürchte, dafür ist es zu spät. Aber das macht auch nichts mehr. Mein Leben war wohl von Anfang an vorherbestimmt. Vielleicht mußte ich tun, was ich getan habe. Ich weiß es nicht. Im Gefängnis werde ich jedenfalls genug Zeit haben, darüber nachzudenken. Und jetzt geh bitte, ich will nicht, daß du länger weinst. Leb einfach, tu’s für dich.«
    Laura Fink erhob sich, umarmte ihre Schwester. Sie schluchzte, hielt sie eine Weile fest umklammert.
    »Hau jetzt endlich ab, sonst werde ich noch sentimental, und das steht mir nicht«, sagte Sabine Reich mit einem Lächeln. »Du kannst mich ja mal besuchen kommen.«
    »Versprochen, Schwester.« Laura Fink wollte gerade gehen, als ihre Schwester sie zurückhielt.
    »Einen Moment noch, Laura.« Sie warf einen Blick auf Julia Durant, sagte: »Wäre es vielleicht möglich, wenn ich mit Laura einen kurzen Augenblick allein sprechen könnte? Nur eine Minute. Ich möchte ihr etwas unter vier Augen sagen. Und stellen Sie bitte diese Kamera aus. Nur diese eine Minute. Bitte.«
    Julia Durant zögerte, Hellmer nickte nur. »Okay, ich gebe Ihnen genau fünf Minuten. Und die Tasche von Frau Fink nehme ich mit, vorsichtshalber.«
    »Und die Mikrofone sind auch wirklich ausgeschaltet?«
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