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Lerchenherzen

Lerchenherzen

Titel: Lerchenherzen
Autoren: Margaret Skjelbred
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erhebt.
    Jemand hat mir einmal erzählt, wenn die Lerchen jubilieren, dann tun sie es nicht aus Lebensfreude und Überschwang, wie man es doch herauszuhören meint. Es heißt, sie singen, um Feinde von dem Nest, das am Erdboden versteckt liegt, abzulenken. Der Vogel hängt gleichsam still in derLuft, nicht direkt über dem Nest, sondern ein Stück weit entfernt in dem verzweifelten Versuch, die Eier und die Jungen zu schützen. Wenn er landet, weit vom Nest entfernt, läuft er still und flach an den Boden gedrückt zurück zur Nachkommenschaft. Denk dir das angstvoll klopfende kleine Lerchenherz: Sind sie noch da? Ist seit dem letzten Mal etwas Entsetzliches geschehen? Immerzu muß die Lerche das gleiche Ablenkungsmanöver vollführen. Ich wünschte, man hätte mir das nicht erzählt. Dieses Wissen hat für mich etwas von dem Jubel aus dem Gesang der Lerche genommen.
    Aber für Mathilde wird der Gesang der Lerchen in diesem Frühjahr zu einem Bild ihrer eigenen strahlenden Lebensfreude. Sie pflückt hübsche kleine Sträuße von Buschwindröschen und schleicht sich damit verstohlen in sein Zimmer auf dem Speicher des Waschhauses, während er im Kuhstall ist. Mathilde! Sie, die noch nie eine Blume für jemanden übrig hatte.
    Jetzt macht sie sich heimlich treppauf zu schaffen mit immer neuen Sträußen, die sie in einem Wasserglas auf seine Kommode stellt. Gleichzeitig fährt sie verstohlen mit der Hand über die kleine Mulde, die sein Kopf auf dem Kissen im ungemachten Bett hinterlassen hat. Einmal legt sie ihr Gesicht in die schalenförmige Vertiefung und spürt seinem Geruch nach. Herzklopfen bekommtsie davon, und die Hände zittern so, daß sie beim Auswechseln der verblühten Blumen etwas Wasser auf das kleine gestickte Tuch verschüttet, das sie auf seine Kommode gelegt hat, unter das Blumenglas.
    Es ist gerade so, als hätte alles in der Natur ihr etwas zu erzählen. Im Bach gluckert es. In Wiesenrispengras und Haselstrauch und Ahorn flüstert es: Harald, Harald. – Für den, der nie verliebt war, klingt das vermutlich überspannt.
    Ob er ihren Namen in den Ackerfurchen hört, durch die er geht, den Pflug fest gepackt, oder wenn er hinter dem Pferd Bellmann auf dem Langholz sitzt, das weiß ich nicht. Vielleicht geht es Männern nicht so. Aber daß die junge schöne Frau sowohl Träume wie heftiges Verlangen in ihm weckt, kann man sich wohl denken.
    Und er redet gern mit ihr. Mit ihm zusammen zeigt sie weder Hochmut noch Stolz. Er kann ihr von den Büchern erzählen, die er gelesen hat, oder sogar von seinem heimlichen Traum, auf die Kunsthochschule zu gehen.
    Denn er ist unglaublich geschickt mit seinen Händen. Mit diesen gewaltigen Fäusten schnitzt er die zartesten kleinen Figuren aus Ebereschen- oder Erlenholzstückchen. Am geschicktesten ist er bei Pferden. Eines von ihnen steht noch auf der Anrichte in der guten Stube, neben dem Hochzeitsbild von Mathildes Eltern. Ich glaube, er hates Mathilde einmal geschenkt. Das ist ein Pferd mit vollem Geschirr, sogar einen winzigkleinen Zugdorn gibt es. Er ist lose und kann herausgenommen werden. Und das Pferd ist so fein gearbeitet, so naturgetreu bis hin zu den kleinen Haarbüscheln direkt über den Hufen, daß du nicht verwundert wärst, wenn es von seinem fein geschnitzten Klötzchen, auf dem es befestigt ist, steigen und anfangen würde herumzutraben.
    War das Pferd das einzige, das er ihr einmal schenkte? Abgesehen von der Photographie, von der ich weiß, daß sie sie bekam, wie ich auch weiß, jedenfalls glaube, daß er ihre bekam. Vielleicht war es das. Aber Liebe hat doch ein bißchen mit Geschenken zu tun. Ich glaube, er schenkte ihr viel. Und ich glaube nicht, daß er ihr weh tun wollte.
    Nein, er will ihr gar nicht weh tun. Er redet so gerne mit ihr, und er ist von dem weichen, schlanken Körper angezogen. Er sieht in ihren Augen ihre grenzenlose Hingabe, und etwas in ihm sagt vielleicht, daß er damit nicht zu weit gehen darf. Aber er ist so jung, und die Frühlingsnächte sind so blau, so blau. Und in einer der blauen Frühlingsnächte nimmt er sie im Heu in Jakobs Scheune.
    Und sie? Ist sie nur erfüllt von einer dankbaren Verwunderung darüber, daß sie ihm so guttun darf? Sie ist mit Tieren aufgewachsen. Hat gesehen,wie Pferde und Rinder, Schweine und Katzen sich paaren. Sie hat den Hahn und die Hennen gesehen. Das ist nicht überraschend für sie, auch wenn es das erste Mal ist. Nicht der Akt selbst. Aber es überrascht sie ein wenig, daß es so
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