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Die Sklavin mit den Mandelaugen

Die Sklavin mit den Mandelaugen

Titel: Die Sklavin mit den Mandelaugen
Autoren: Carter Brown
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1
     
    Zugegeben, wenn Manhattan unter
einer mittsommerlichen Hitzewelle stöhnt, können alle möglichen und unmöglichen
Dinge geschehen, aber als mir nachmittags um halb sechs ein halbnacktes
Sklavenmädchen, das geradeswegs den Erzählungen der schönen Scheherazade zu
entstammen schien, die Tür zu der feudalen Dachetage am Sutton Place öffnete,
war ich doch reichlich perplex. Mir fielen nur zwei Erklärungen ein: Entweder
ich litt unter den Folgen eines Hitzschlags, oder ich war reif fürs Irrenhaus.
    »Ja?«
    Die Fata Morgana besaß eine
teilnahmslose Stimme.
    Ich schloß die Augen und
stöhnte verhalten.
    »Hört sich an, als hätte die
Hitze Sie schon erwischt«, stellte sie schwarzseherisch fest. »Mit dem
Bürstenhaarschnitt sollten Sie es sich zur Gewohnheit machen, einen Hut zu
tragen. Aber immer.«
    Zögernd öffnete ich meine Augen
wieder. Sie war immer noch da. Mit der nackten Schulter lehnte sie am
Türrahmen, während ihre großen braunen Augen mich ohne sonderliches Interesse
musterten. Das dichte schwarze Haar fiel ihr in herrlicher Nachlässigkeit bis
auf die Schultern, so als hätte sie vergessen, es hochzustecken. Der
knappsitzende, rote Satinbolero schloß sich mit Müh und Not über ihrem
verlockend üppigen Busen. Danach folgte bis zu den runden Hüften gar nichts,
und ich hatte Muße, die glatte, olivbraune Haut ihres Körpers zu bewundern. Die
weite Satinpluderhose wurde an den Knöcheln von großen Messingschnallen
zusammengehalten. Die kleinen Füße waren nackt.
    »Mein Name ist Boyd«, murmelte
ich. »Danny Boyd. Ich wollte einen gewissen Osman Bey aufsuchen, aber offenbar
habe ich mich in der Tür geirrt .«
    »Sie sind hier schon richtig«,
erklärte sie.
    »Vielleicht ist er
beschäftigt«, meinte ich. »Ich könnte ja im Herbst mal wieder vorbeischauen,
wenn es ein bißchen abgekühlt ist .«
    »Nein, nein. Er sitzt nur da
und raucht seine Huka«, erwiderte sie lächelnd. »Kommen Sie nur herein, Mr.
Boyd .«
    Mir war immer noch nicht ganz
geheuer.
    »Wahrscheinlich ist es das beste , ich verschwinde wieder und lass’ mich hier nicht mehr
blicken«, stellte ich fest.
    »Kommen Sie lieber rein«,
forderte sie mich leicht gereizt auf. »Und machen Sie sich ja keine falschen Hoffnungen.
Das hier ist meine Berufskleidung .«
    Ich folgte hingerissen, während
sie mit verführerischem Hüftgewackel vor mir her tänzelte. Je weiter wir ins
Innere der geräumigen Wohnung vordrangen, desto schwerer wurde die Luft von
einem aufdringlichen aromatischen Duft nach Weihrauch.
    Die Einrichtung des Wohnzimmers
schlug den standardisierten Vorstellungen des
amerikanischen Durchschnittsbürgers über gepflegte Häuslichkeit ins Gesicht.
Ein wunderschöner weißer Berberteppich bedeckte den Fußboden, und darüber war
wahllos eine Reihe riesiger Plüschsitzkissen
verstreut. Stühle gab es nicht.
    Auf einem pflaumenfarbenen
Samtkissen saß mit gekreuzten Beinen ein Mann und rauchte Wasserpfeife. Ich
hatte nie zuvor eines dieser seltsamen Dinger gesehen, außer mal im Witzblatt
der Zeitung, und beobachtete fasziniert das komplizierte Verfahren. Allerdings
war es mir nicht vergönnt, mich genau zu informieren, da sämtliche Vorhänge
zugezogen waren und das Zimmer in Halbdunkel gehüllt war. Aber jedesmal, wenn
der Mann den Rauch durch das Wasser sog, gab es ein gurgelndes Geräusch, das
irgendwie unanständig klang.
    »Das ist Danny Boyd«,
verkündete das Sklavenmädchen unfreundlich. »Mir kommt er vor wie ein unnützer
Schmutzfink, der nichts als Zweideutigkeiten im Kopf hat, aber das ist ja wohl
deine Sache .«
    »Sind Sie Osman Bey ?« fragte ich den Mann mit unverhüllter Neugier.
    Er strich sich über den Bart,
den er sich offenbar in letzter Minute angeklebt hatte, denn ich konnte sehen,
wie der trockene Mastix abbröckelte. Leichtes Interesse flackerte in seinen
Augen.
    »Bitte, nehmen Sie Platz, Mr.
Boyd .«
    Er wies auf eines der überdimensionalen Sitzkissen .
    Ungeschickt ließ ich mich
darauf nieder und wartete schweigend, während er wieder an seiner Wasserpfeife
zog. Es dauerte eine Ewigkeit, bis der Rauch durch den langen Schlauch in
seinen Mund gelangte, und ich hatte hinreichend Gelegenheit, ihn mir genauer zu
betrachten.
    Das lange schwarze Haar war
voll und glänzte ölig. Über seinen Hamsterbacken spannte sich dunkle weiche
Haut. Er trug ein blaues Seidenhemd, das lose über seinen Spitzbauch fiel, und
eine formlose grüne Hose, deren Nähte an den massiven Schenkeln zu
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