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Lerchenherzen

Lerchenherzen

Titel: Lerchenherzen
Autoren: Margaret Skjelbred
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weh tut und so rasch vorüber ist.
    Später hat sie es besser. Er ist lieb und rücksichtsvoll, zärtlich und geduldig. Er läßt ihr Zeit, die neuen und unbekannten Gebiete seines Körpers zu erforschen, so wie er sich gleichzeitig so herrlich in ihrem verliert. Denn jetzt führt kein Weg zurück. Getan ist getan und kann nicht ungeschehen gemacht werden, sagt man. Und ungeschehen will es keiner von ihnen sein lassen, wenn sie sich in den Nächten des Frühsommers verstohlen über die Jakobsau zum Stelldichein in der Scheune schleichen. Nachdem die Nächte immer heller werden, müssen sie immer längere Umwege in Kauf nehmen. Aber mit dem Herbst kommt die Dunkelheit zurück, das weiche blaue Dunkel der Nacht, der Verbündete aller heimlich Verliebten.
    Nur ab und an spürt er einen Stich, spürt er Unruhe, Schuldgefühle, wenn ein anderes Gesicht in seinen Gedanken auftaucht, während des Herbstes immer öfter. Aber das ist am hellen Tag. In den Nächten hat er es vergessen. Denn Mathilde ist so schön, und sie will so gern.

11
    Wie warst du eigentlich, Harald? In der letzten Zeit habe ich mir oft gewünscht, ich hätte dich gekannt oder auf jeden Fall mehr von dir gewußt. Dein Bild zeigt einen Mann Anfang Zwanzig, gutaussehend, scheint mir, nachdem ich es mir öfter angeschaut habe. Anscheinend gehörst du zu denen, die nach und nach gewinnen. Deine glatte Stirn wölbt sich im kräftigen Schwung zum Haaransatz, und du hast schöne Augen unter geraden, dunklen Augenbrauen, umgeben von dichten schwarzen Wimpern.
    Deine Nase ist zu lang und deine Kinnpartie zu ausgeprägt für die ausdrucksvollen, nachdenklichen Augen, aber der Mund ist empfindsam geschwungen unter dem steifen kleinen Bart – der ist bestimmt rot oder auf jeden Fall mit rötlichem Schimmer, will ich glauben. Ja, du warst schon ein gutaussehender Mann voller Charme. Kein Wunder, daß Mathilde so hingerissen war von dir.
    Hingerissen! Mathilde war nicht nur jugendlich hingerissen von Harald. Das war mehr. Hätte sie schon früher etwas erlebt, wäre er vielleicht einer unter vielen geworden oder auf jeden Fall unter einigen. Aber er war der erste. Und blieb der einzige.
    Mathilde war in ihrem fünfundzwanzigjährigenLeben nie in die Nähe dieses besonderen schwindelnden Gefühls gelangt, das ein Glitzern in den Augen eines jungen Mannes oder ein ausgelassenes Werfen seines Kopfs in einem Frauenkörper wecken kann. Rundherum haben ihre etwas ferneren Freundinnen sich, als sie jung waren, durch ihre Jugend gekichert und geschwärmt, ein bißchen mit dem einen oder anderen geschmust, ehe sie am Ende, in der weißen Kirche vor dem Altar knieend, den Segen des Pfarrers erhielten, während vom Altarbild Christus und seine Jünger auf dem Weg nach Emmaus freundlich auf sie herablächelten.
    Sie selbst hat verständnislos und ein wenig von oben herab auf all das Flirten ringsum gesehen, aber unter der herablassenden Miene verbarg sich ein halb unbewußtes, ungeduldiges Warten. Denn das Leben ist doch wohl mehr als dieses hier? Da gibt es doch wohl irgend jemanden? Einer, der in ihr Leben gesegelt kommt und sie aus ihrem Alltagstrott herausreißt. Einer, der auf die Knie fällt und seinen Kopf in ihren Schoß legt und das dunkle Gefühl der Lust weckt, von dem sie bislang nur ahnt, daß es das gibt, wartend wie ein Samenkorn im Winterschlaf. Einer, der anders ist als alle und der sie auf Händen durch die Gemeinde und durchs Leben tragen wird, zum kaum verhohlenen Neid der Freundinnen.
    Auf dies hier ist sie ganz und gar unvorbereitet.Und deshalb so unendlich verletzbar. Denn so hatte sie sich das nicht vorgestellt: Ein Mann aus besserem Haus sollte es sein. Ein Kavalier, der sie verehrt und bewundert. Und trotz unbestimmter Träume von romantischem Herzklopfen hätte sie niemals geglaubt, daß sie es sein könnte, die die Kontrolle verliert. Eine Verliebtheit, bei der sie die Zügel in der Hand behält – etwas anderes wäre ihr gar nicht in den Sinn gekommen. Eine romantische, aber kontrollierte Liebe hat sie sich vorgestellt – und die drehte ihr indessen eine lange Nase! Eine, die nach angemessener Zeit in eine Verlobung mit glänzenden glatten Ringen münden würde, Neid unter der Schar der Freundinnen, Hochzeit in der Kirche, Brautschleier. Ehebett, Alltagsleben, Kinder. Nicht dieses hier. Und nicht ihres Vaters – ihr eigener – Viehknecht.
    Aber als sein Bart an einem eiskalten Winterabend an der Haut ihrer Wange kratzt, da durchläuft ihren
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